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Delfinarium: Roman (German Edition)

Delfinarium: Roman (German Edition)

Titel: Delfinarium: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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Wir waren die einzigen in unserer Stufe, die aus Neuenfelde kamen und in Finkenwerder aufs Gymnasium gingen, die sich jeden Morgen auf ihren Fahrrädern am Deich entlang in die Stadt quälten. So richtig haben wir uns jetzt erst befreundet, weil sie zurückgekommen ist, Semesterferien, und ich immer noch da bin. Und wenn ich ehrlich bin, ist sie meine einzige Freundin, und das hat nicht nur etwas mit dem Schulweg zu tun, sondern auch damit, dass wir beide gut in der Schule gewesen sind, das isoliert und schweißt zusammen.
    Petra ist die Tochter des Pastors und wir wohnen im Haus des Organisten, also haben wir fast zwangsläufig Kontakt. Ihr Vater und meiner kennen sich irgendwie von früher. Der eigentliche Organist wohnt nicht im Organistenhaus, sondern auf der anderen Flussseite. Er kommt nur für die Gottesdienste und die monatlichen Konzerte auf der berühmten Orgel herüber. Das Organistengehalt reicht ihm nicht, er gibt außerdem Klavierunterricht, und in der Stadt wollen mehr Leute Klavier spielen als hier unter den Apfelmenschen.
    Ich betrachte ihren Rücken und frage mich, wie es kommt, dass ich, solange ich mich für Frauen interessiere, immer bloß die komischen abbekomme. Die, für die sich sonst keiner interessiert. Natürlich verliebe ich mich auch immer in die hübschen. Aber bekommen habe ich sie nie. Schon während der Schulzeit haben sich immer nur die unscheinbaren, komischen für mich interessiert, die klugen Mädchen mit den Brillen, die sich schon mit zwölf für Philosophie begeistern, oder für deutsche Geschichte, mit denen man sich prima über Gott oder Hegel unterhalten konnte. Wie Petra. Vielleicht wären mir in Wahrheit die Worte ausgegangen, wäre ich mal mit einer richtig Hübschen zusammen gewesen, vielleicht hätte ich gar nicht gewusst, worüber wir reden sollen. Wenn ich mich einer näherte, versagte mir die Stimme. Wenn ich von einer ernsthaft etwas wollte, brach mir der Schweiß aus, ich wurde rot wie die Feuerwehr und musste mich permanent räuspern. Und im Grunde ist es immer noch so. Ich bin jetzt 20, aber innerlich fühle ich mich immer noch wie elf. Also spreche ich sie gar nicht erst an. Dafür sprechen mich die mit der inneren Schönheit an, bei denen ist alles okay mit meiner Stimme. Da kann ich nett und charmant sein und bei den Hübschen verhalte ich mich wie Obelix, der sich in Falballa verliebt.
    »Du hast ja immer noch nur Hippieschallplatten«, sagt Pet.
    »Wie?«, frage ich, weil ich abgelenkt bin.
    Petra ist klug und sehr, sehr nett, ein richtiger Kumpel zum Pferde oder Äpfel stehlen, aber verliebt bin ich nicht. Auch wenn wir miteinander geschlafen haben.
    »Hier hat sich ja nichts verändert, uralte Hippieschallplatten«, sagt sie. »Dabei siehst du immer noch nicht aus wie ein Hippie.«
    Ich runzele die Stirn, was sie nicht sehen kann. Ich mag es nicht, wenn Leute irgendwelche nebensächlichen Besitztümer von einem sichten und so tun, als könnten sie auf dieser Grundlage sichere Werturteile fällen. Es gibt Leute, die gucken dein Regal an oder deinen Kleiderschrank oder die Schuhe, die du trägst, und glauben, sie könnten dir auf dieser Basis genau sagen, wer du bist und was du vor zwei Wochen getan hast oder in Zukunft tun wirst. Ich mag das nicht, gerade wenn diese Leute die Wahrheit erkennen, denn meine Gegenstände sind genau so farblos und langweilig wie ich, sie können es bloß schlechter verschleiern.
    »Das sind keine Hippieschallplatten«, sage ich. »Das sind immer noch Rockschallplatten aus den sechziger und siebziger Jahren. Ich mag diese Musik.«
    »Stimmt«, sagt Pet, »das hört wirklich immer noch Ende der siebziger Jahre schlagartig auf. Du bist ein Hippie, man hat ja keine Ahnung, man merkt es dir einfach nicht an. Vermutlich trägst du nachts einen Batik-Schlafanzug und kiffst zum Frühstück.«
    »Haha«, sage ich, »sehr witzig.«
    Die Wahrheit ist, dass die Schallplatten meiner Mutter gehört haben. Und mir sind nicht viele Sachen von meiner Mutter geblieben, insofern besitzen sie einigen Wert für mich. Außerdem hört mein Vater bloß klassische Musik. Und irgendwo muss man sich ja abgrenzen. Ich selbst fände es noch schlimmer, wenn ich den ganzen Tag nur Bartok, Bruckner und Gluck hören würde.
    »Was hörst du denn jetzt für Musik?«, frage ich.
    »Alles«, sagt Pet. »Rollins Band, die Pixies und die Smiths.«
    »Ganz aktuell ist das ja wohl auch nicht«, sage ich.
    »Nein«, sagt sie und zieht mit spitzen Fingern eine LP von

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