Delia 2 - Delia und der Sohn des Haeuptlings
kann, wenn man etwas tut, das verboten ist und das niemand wissen darf.
Endlich konnte sie es nicht länger aushalten und vertraute sich Inona an. Die junge Indianerin war natürlich gegen Delias und Akitus Plan; sie war besorgt um die beiden jüngeren Geschwister. Aber anders als ein weißes Mädchen zeigte sie ihre Ablehnung nicht durch Verbote, Warnungen oder böse Worte, sondern nur durch ein langes Schweigen und zögernde Fragen.
Als sie merkte, dass Delia entschlossen war, Bill den Trapper aufzusuchen, und wie viel ihr daran lag, gab Inona sofort ihren Widerstand auf. Die Indianerjungen wurden von klein auf zur Härte und Selbständigkeit erzogen, und da Delia sich fast wie ein Junge benahm, wurde sie von Inona dazu gerechnet.
Inona packte geräuchertes Fleisch und flache, trockene Maisfladen in einen selbstgenähten Ledersack und versprach, auch auf den Mops aufzupassen.
Diesmal wollte Delia aber nicht erst riskieren, dass er sich befreite — sie wusste aus Erfahrung, dass ein einziger unbewachter Augenblick dazu genügte — und sich vielleicht im Urwald verirrte, weil er ja auf dem Wasser ihre Spur nicht finden konnte. Sie war entschlossen, ihn mitzunehmen.
Sie war fest überzeugt, in dieser Nacht keinen Schlaf finden zu können, aber kaum hatte sie sich wieder auf ihrem Lager aus aufgeschüttetem trockenem Laub und dicken Fellen ausgestreckt, da schlummerte sie auch schon.
Als Inona sie weckte, hatte sie das Gefühl, gerade eben erst eingeschlafen zu sein. Dabei hatte der Himmel über dem Dorf sich schon zu lichten begonnen. Blitzschnell fiel ihr ein, dass heute die große Fahrt losgehen sollte, und sie war rasch auf den Beinen.
Inona half ihr beim Anziehen, striegelte das braune, leicht wellige Haar so lange mit dem Geweihkamm, bis es glatt und glänzend anlag, fast wie Indianerhaar, band es hinten zu einem Schopf zusammen, steckte die Feder hinein, das Zeichen einer Häuptlingstochter.
Als Delia sich von Inona verabschiedete, wurde ihr plötzlich das Herz schwer. Sie wusste selbst nicht, warum. Ihr war zumute, als nähme sie für immer Abschied, und es wurde ihr bewusst, wie viel Inona in ihrer stillen Art für sie getan hatte.
„Ich danke dir“, sagte sie hastig, „für alles, Inona! Du bist viel besser als ich!“ Sie nahm sie auf ganz unindianische Art in die Arme und küsste sie auf beide Wangen.
Das war Inona in ihrem Leben noch nicht passiert, aber sie verstand schon, wie Delia es meinte.
„Manitu beschütze dich, Tapferes Eichhörnchen!“ sagte sie.
Delia schlich aus der Hütte. Noch schlief das Dorf. Sie legte das Ohr auf den Boden, wie sie von Akitu gelernt hatte. Die Schritte der Männer, die das Dorf bewachten, waren weit entfernt.
Vorsichtig schlich sie von Hütte zu Hütte, und der Professor folgte ihr wie ein kleiner grauer Schatten, als wüsste auch er genau, worum es ging. Ungesehen kamen sie zum Waldrand. Akitu war noch nicht da, und Delia war stolz darauf, ihm zuvorgekommen zu sein. Fast hätte sie ihn mit seinem Zuspätkommen geneckt, da fiel ihr gerade noch ein, dass auch sie ohne Inona bestimmt verschlafen hätte.
So verbiss sie sich jede Bemerkung, als Akitu endlich erschien. Der Mops begrüßte ihn begeistert, ohne jedoch einen Laut von sich zu geben. Hintereinander her liefen sie alle drei zum Fluss hinunter, der Professor natürlich an der Spitze.
Zuerst legte Delia ihren Ledersack mit den Vorräten in das Kanu, ganz vorn an den Bug, Pfeil und Bogen darüber. Dann kletterte sie selbst hinein, aber während sie sich noch zu setzen versuchte, wäre sie beinahe umgefallen. Das Kanu kippte beängstigend nach links, nach rechts, sie versuchte das Gleichgewicht zu halten, balancierte mit beiden Armen und sah sich schon kopfüber — plumps! — im Wasser liegen.
Aber da sprang Akitu freiwillig in die grünen Fluten, hielt das Kanu fest, bis Delia sich gesetzt hatte. Er nahm den Mops, der am Ufer aufgeregt hin und her lief, und hob ihn zu Delia ins Boot. Dann schwang er sich selbst hinein. Seine Mokassins und seine ledernen, mit bunten Fransen besetzten Hosen waren ganz nass.
Delia bedankte und entschuldigte sich.
Akitu lehnte mit einer Handbewegung ab. „Macht nichts. Bald wird alles wieder trocken sein. Tapferes Eichhörnchen muss versuchen, Gleichgewicht zu halten.“
„Das tue ich ja die ganze Zeit“, entgegnete Delia kleinlaut. „Tapferes Eichhörnchen wird es schon noch lernen.“
Akitu hatte zwei Äste flach geschnitzt. Sie dienten ihm jetzt als
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