Delirium
wie.â¹Â«
Da ist es wieder, dieses Wort: lieben . Mein Herz setzt aus, als er es sagt, dann verfällt es stolpernd in einen hektischen Rhythmus.
»âºIch liebe dich so tief, so hoch, so weit, als meine Seele blindlings reicht â¦â¹Â«
Ich weiÃ, dass er nur die Worte eines anderen spricht, aber sie scheinen trotzdem aus ihm zu kommen. In seinen Augen tanzt das Licht; in beiden spiegelt sich ein heller Fleck aus Kerzenlicht.
Er tritt einen Schritt vor und küsst mich sanft auf die Stirn. »âºIch liebe dich bis zu dem stillsten Stand, den jeder Tag erreicht â¦â¹Â«
Es fühlt sich an, als würde der Boden vibrieren â als würde ich fallen.
»Alex â¦Â«, hebe ich an, aber das Wort verknotet sich in meiner Kehle.
Er küsst meine beiden Wangenknochen â ein köstlicher Hauch von einem Kuss, der kaum wahrnehmbar über meine Haut streicht. »âºFrei, im Recht, und rein â¦â¹Â«
»Alex«, sage ich etwas lauter. Mein Herz klopft so schnell, dass ich befürchte, es platzt mir gleich zwischen den Rippen hervor.
Er löst sich von mir und schenkt mir ein kleines, schiefes Lächeln. »Elizabeth Barrett Browning«, sagt er, dann fährt er mit einem Finger über meinen Nasenrücken. »Gefällt es dir nicht?«
Die Art, wie er das fragt, so leise und ernst, während er immer noch in meine Augen blickt, gibt mir das Gefühl, als fragte er eigentlich etwas anderes.
»Nein. Ich meine, ja. Ich meine, schon, aber â¦Â« Eigentlich weià ich gar nicht, was ich meine. Ich kann weder klar denken noch sprechen. Ein einzelnes Wort wirbelt in mir herum â ein Sturm, ein Orkan â und ich muss meine Lippen zusammenkneifen, damit es sich nicht auf meine Zunge drängen und nach drauÃen kämpfen kann. Liebe, Liebe, Liebe, Liebe. Ein Wort, das ich noch nie ausgesprochen habe, niemandem gegenüber, ein Wort, das ich mir eigentlich noch nicht mal zu denken erlaubt habe.
»Du musst nichts erklären.« Alex tritt noch einen Schritt zurück. Ich habe schon wieder das unbestimmte Gefühl, dass wir eigentlich über etwas anderes reden. Ich habe ihn irgendwie enttäuscht. Was auch immer gerade zwischen uns vorgefallen ist â und irgendetwas ist vorgefallen, auch wenn ich nicht genau weiÃ, was oder wie oder warum â, hat ihn traurig gemacht. Ich kann es in seinen Augen sehen, auch wenn er immer noch lächelt, und ich würde mich am liebsten entschuldigen oder meine Arme um ihn legen und sagen, er soll mich küssen. Aber ich habe immer noch Angst, den Mund aufzumachen â Angst, dass das Wort herausgeschossen kommt, und Panik davor, was dann passieren könnte.
»Komm her.« Alex legt das Buch weg und reicht mir seine Hand. »Ich will dir was zeigen.«
Er führt mich zum Bett und erneut überkommt mich eine Welle der Schüchternheit. Ich bin nicht sicher, was er erwartet, und als er sich setzt, bleibe ich verlegen stehen.
»Schon gut, Lena«, sagt er. Wie immer wirkt es beruhigend, dass er meinen Namen sagt. Er rutscht auf dem Bett zurück und legt sich auf den Rücken und ich tue es ihm nach, so dass wir nebeneinanderliegen. Das Bett ist schmal. Es ist gerade genug Platz für uns beide.
»Siehst du?«, sagt Alex und reckt das Kinn nach oben.
Ãber unseren Köpfen funkeln, glitzern, strahlen die Sterne: Tausende und Abertausende, so viele Tausende, dass sie aussehen wie Schneeflocken, die durch die pechschwarze Dunkelheit wirbeln. Ich kann nicht anders, ich schnappe nach Luft. Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich so viele Sterne gesehen. Der Himmel wirkt so nah über diesem Wohnwagen ohne Dach â so fest aufgespannt über unseren Köpfen â, dass es scheint, als könnten wir uns hineinfallen lassen. Wenn wir aus dem Bett hüpften, würde der Himmel uns auffangen, uns festhalten und wir könnten darauf springen wie auf einemTrampolin.
»Was sagst du dazu?«, fragt Alex.
»Ich liebe es.« Das Wort schnellt hervor und augenblicklich verschwindet die Last von meiner Brust. »Ich liebe es«, sage ich noch mal versuchsweise. Es ist einfach, sobald man es einmal ausgesprochen hat. Kurz. Pointiert. Gleitet von der Zunge. Unglaublich, dass ich es noch nie gesagt habe.
Ich merke, dass Alex sich freut. Das Lächeln in seiner Stimme schwillt an. »Dass es kein flieÃend Wasser gibt, ist schon blöd«, sagt
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