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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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nicht. Es ist auch nicht nötig.
    Wo wir doch einander zugeteilt worden sind. Wo wir doch heiraten werden. Wo ich doch das Bett mit ihm teilen und jeden Tag meines Lebens neben ihm aufwachen werde und zulassen muss, dass er mich anfasst, und ihm beim Abendbrot gegenübersitzen muss und Dosenspargel essen und ihm dabei zuhören, wie er über Klempnerei oder Schreinerei quasselt oder was immer ihm zugewiesen wird.
    Â»Nein!«, platze ich heraus.
    Carol sieht erschrocken aus. Sie ist nicht daran gewöhnt, dieses Wort zu hören, erst recht nicht von mir. »Was soll das heißen, nein ? «
    Ich lecke mir über die Lippen. Ich weiß, es ist gefährlich, ihr zu widersprechen, und es ist auch nicht richtig. Aber ich kann Brian Scharff nicht treffen. Ich werde ihn nicht treffen. Ich werde nicht dasitzen und so tun, als würde ich ihn mögen, oder Carol dabei zuhören, wie sie darüber reden, wo wir in ein paar Jahren leben werden, während Alex irgendwo da draußen ist – darauf wartet, sich mit mir zu treffen, oder mit den Fingern auf seinen Schreibtisch trommelt, während er Musik hört oder atmet oder irgendwas tut. »Ich meine …« Ich versuche mir eine Ausrede einfallen zu lassen. »Ich meine … ich meine, könnten wir das nicht ein andermal machen? Es geht mir nicht so gut.« Das stimmt wenigstens.
    Carol runzelt die Stirn. »Es ist nur eine Stunde, Lena. Wenn du bei Hana übernachten kannst, kannst du das auch überstehen.«
    Â»Aber … aber …« Ich balle eine Faust und presse die Fingernägel in die Handfläche, bis dort Schmerz aufblüht, was mir wenigstens etwas gibt, worauf ich mich konzentrieren kann. »Aber ich will, dass es eine Überraschung ist.«
    Carols Stimme bekommt einen scharfen Unterton. »Das hat nichts mit einer Überraschung zu tun , Lena. Das ist der Lauf der Dinge. Das ist dein Leben. Er ist dein Partner. Du wirst ihn kennenlernen, du wirst ihn mögen und das war’s. Und jetzt geh nach oben duschen. Sie kommen um eins.«
    Mittags. Alex ist heute um Mittag mit der Arbeit fertig; ich wollte mich mit ihm treffen. Wir wollten in der Brooks Street 37 picknicken wie immer, wenn er von der Frühschicht kommt, und den ganzen Nachmittag zusammen genießen. »Aber …«, protestiere ich, ohne genau zu wissen, was ich noch sagen könnte.
    Â»Kein Aber.« Carol verschränkt die Arme und funkelt mich grimmig an. »Nach oben mit dir.«
    Ich weiß nicht, wie ich die Treppe raufkomme; ich bin so wütend, dass ich kaum etwas sehen kann. Jenny steht kaugummikauend auf dem Treppenabsatz, sie trägt einen von Rachels alten Badeanzügen. Er ist ihr zu groß. »Was ist denn mit dir los?«, fragt sie, als ich mich an ihr vorbeidränge.
    Ich antworte nicht. Schnurstracks gehe ich ins Bad und drehe das Wasser so weit auf wie möglich. Carol mag es nicht, wenn wir Wasser verschwenden, und normalerweise dusche ich so schnell ich kann, aber heute ist mir das egal. Ich setze mich auf den Klodeckel und beiße auf meine Hand, um nicht zu schreien. Das ist alles mein Fehler. Ich habe den Termin für den Eingriff ignoriert und vermieden, auch nur an Brian Scharffs Namen zu denken . Und Carol hat absolut Recht: Das ist mein Leben, so ist der Lauf der Dinge. Es lässt sich nicht ändern. Ich hole tief Luft und sage mir, ich muss aufhören, mich wie ein kleines Baby zu benehmen. Jeder muss irgendwann erwachsen werden; mein Termin ist der 3.September.
    Ich will aufstehen, aber ein Bild von Alex letzte Nacht – wie er so nah bei mir stand und diese eigenartigen, wunderschönen Worte sprach: Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit, als meine Seele blindlings reicht – haut mich wieder um und ich plumpse zurück auf den Klodeckel.
    Alex, wie er lacht, atmet, lebt – ohne mich, mir unbekannt. Eine Welle der Übelkeit überkommt mich und ich beuge mich vor, den Kopf zwischen den Knien, und kämpfe dagegen an.
    Die Krankheit , sage ich mir. Die Krankheit schreitet fort. Nach dem Eingriff wird alles besser. Das ist es ja gerade.
    Aber es nützt nichts. Als ich es schließlich unter die Dusche schaffe, versuche ich mich vom Rhythmus des Wassers, das auf die Emaille hämmert, ablenken zu lassen, aber Bilder von Alex blitzen in meinem Bewusstsein auf – wie er mich küsst, mir übers Haar streicht, seine Finger über meine Haut tanzen lässt –,

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