Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
Tag beerdigt wurde. »Ich kann nicht nach Hause gehen und ich werde es auch nicht. Ich gehe mit dir. Wir können uns in der Wildnis ein Zuhause aufbauen. Andere Leute machen das doch auch, oder nicht? Andere Leute haben es bereits getan. Meine Mutter …« Ich will sagen: Meine Mutter wird es tun , aber meine Stimme bricht.
    Alex betrachtet mich aufmerksam. »Lena, wenn du weggehst – wirklich weggehst –, wird es nicht so sein, wie es jetzt für mich ist. Das ist dir klar, oder? Du wirst nicht hin- und herwechseln können. Du wirst niemals zurückkehren können. Dein Code wird ungültig gemacht. Alle werden wissen, dass du eine Widerständlerin bist. Alle werden nach dir suchen. Wenn dich irgendjemand fände … wenn du je geschnappt werden solltest …« Alex beendet den Satz nicht.
    Â»Das ist mir egal«, fauche ich zurück. Ich kann meine Wut nicht länger unterdrücken. »Du warst schließlich derjenige, der es vorgeschlagen hat, oder? Also? Jetzt, wo ich bereit bin, nimmst du es zurück?«
    Â»Ich versuche nur …«
    Ich unterbreche Alex erneut, rede weiter, reite auf der Welle aus Wut, getrieben von dem Wunsch, zu zerfetzen, zu verletzen und auseinanderzureißen. »Du bist genau wie alle anderen. Du bist genauso mies wie der Rest. Reden, reden, reden – das fällt dir leicht. Aber wenn es darum geht, wirklich etwas zu tun, wenn es darum geht, mir zu helfen …«
    Â»Ich versuche ja dir zu helfen«, sagt Alex mit scharfer Stimme. »Das ist eine große Sache. Ist dir das klar? Es ist eine riesige Entscheidung und du bist gerade sauer und weißt nicht, was du sagst.« Er wird jetzt auch wütend. Es schmerzt mich, aber ich kann nicht aufhören zu reden. Zerstören, zerstören, zerstören: Ich will alles kaputt machen – ihn, mich, uns, die ganze Stadt, die ganze Welt.
    Â»Behandle mich nicht wie ein kleines Kind.«
    Â»Dann benimm dich nicht wie eins«, gibt er zurück. Es tut ihm sofort leid. Er wendet sich zur Seite, holt tief Luft und sagt dann mit normaler Stimme: »Hör zu, Lena. Es tut mir echt leid. Ich weiß, du hast … ich meine, bei allem, was heute passiert ist … ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie du dich fühlst.«
    Es ist zu spät. Meine Sicht verschwimmt vor Tränen. Ich drehe mich von ihm weg und fange an, mit einem Fingernagel an der Mauer zu kratzen. Ein winziges Stück Ziegelstein bricht ab. Wie es zu Boden purzelt, erinnert es mich an diese seltsamen furchterregenden Wände und an meine Mutter, und die Tränen strömen schneller.
    Â»Wenn ich dir was bedeuten würde, würdest du mir helfen, hier wegzukommen«, sage ich. »Wenn ich dir überhaupt etwas bedeuten würde, würdest du jetzt sofort losgehen.«
    Â»Du bedeutest mir etwas«, sagt Alex.
    Â»Nein.« Ich weiß, dass ich jetzt wirklich kindisch bin, aber ich kann nicht anders. »Ihr hab ich auch nichts bedeutet. Überhaupt nichts.«
    Â»Das ist nicht wahr.«
    Â»Warum ist sie dann nicht zu mir gekommen?« Ich bin immer noch von ihm abgewandt und drücke eine Handfläche fest gegen die Mauer; ich habe das Gefühl, auch sie könnte jeden Moment einstürzen. »Wo ist sie jetzt? Warum hat sie nicht nach mir gesehen?«
    Â»Du weißt, warum«, sagt er, mit festerer Stimme. »Du weißt, was passiert wäre, wenn sie erneut erwischt worden wäre – wenn sie mit dir erwischt worden wäre. Das wäre für euch beide der sichere Tod gewesen.«
    Er hat Recht, aber das macht es auch nicht besser. Ich bleibe stur, kann einfach nicht aufhören. »Darum geht es nicht. Ich bedeute ihr nichts und dir bedeute ich auch nichts. Ich bedeute niemandem etwas.« Ich fahre mit dem Unterarm über mein Gesicht und wische mir die Nase ab.
    Â»Lena.« Alex legt die Hände auf meine Ellbogen und dreht mich zu sich um. Als ich mich weigere, ihn anzusehen, hebt er mein Kinn an und zwingt mich dazu. »Magdalena«, sagt er. Seit wir uns kennengelernt haben, benutzt er zum ersten Mal meinen vollen Namen. »Deine Mutter hat dich geliebt. Verstehst du das? Sie hat dich geliebt. Sie liebt dich immer noch. Sie wollte dich beschützen.«
    Hitze durchströmt mich. Zum ersten Mal im Leben habe ich keine Angst vor dem Wort. Irgendetwas scheint in mir aufzureißen, sich auszustrecken wie eine Katze, die sich in der Sonne räkelt,

Weitere Kostenlose Bücher