Delirium
Bitte. Ich weiÃ, ich sollte einfach sagen: Ja, klar, oder: Klingt gut . Ich weiÃ, dass sie sich besser fühlen würde â dass ich mich besser fühlen würde â, wenn wir so täten, als ginge das Leben weiter wie bisher.
Aber ich kriege die Wörter nicht raus. Stattdessen fange ich an, mit dem Daumen kleine Sandhäufchen von meinem Oberschenkel zu wischen. »Hör zu, Hana. Ich muss dir was sagen. Wegen des Eingriffs â¦Â«
»Was ist damit?« Sie sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. Mein ernster Tonfall macht ihr anscheinend Sorgen.
»Versprich mir, dass du nicht sauer bist, okay? Ich kann nicht â¦Â« Ich breche ab, bevor ich sage: Ich kann nicht gehen, wenn du sauer auf mich bist. Sonst würde ich gleich alles verraten.
Hana setzt sich ganz auf, hebt eine Hand und lacht gequält. »Lass mich raten. Du haust mit Alex ab, verschwindest und wirst eine Schurkin und Invalide.« Sie sagt es witzig, aber in ihrer Stimme ist ein flehender Unterton. Sie will, dass ich ihr widerspreche.
Doch ich sage nichts. Eine Weile lang starren wir uns einfach nur an, und auf einmal verschwinden all das Licht und die Energie aus ihrem Gesicht.
»Das ist nicht dein Ernst«, sagt sie schlieÃlich. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Ich muss es tun, Hana«, sage ich leise.
»Wann?« Sie beiÃt sich auf die Lippe und sieht weg.
»Wir haben es heute beschlossen. Heute Morgen.«
»Nein. Ich meine â wann ? Wann gehst du?«
Ich zögere nur einen winzigen Augenblick. Nach diesem Morgen kommt es mir vor, als wüsste ich nicht sehr viel über die Welt oder irgendetwas. Aber ich weiÃ, dass Hana mich nie, um keinen Preis, verraten würde â zumindest jetzt nicht, nicht, bevor sie ihr Nadeln ins Gehirn bohren und sie auseinandernehmen, sie in Stücke reiÃen. Mir wird jetzt klar, dass beim Eingriff genau das passiert: Das Heilmittel zerteilt Menschen, schneidet sie von sich selbst ab.
Aber dann â wenn sie dran ist â wird es zu spät sein. »Freitag«, sage ich. »In einer Woche.«
Sie stöÃt heftig den Atem aus, die Luft pfeift zwischen ihren Zähnen hindurch. »Das kann doch nicht dein Ernst sein«, wiederholt sie.
»Ich habe hier nichts mehr verloren«, sage ich.
Da sieht sie mich an. Ihre Augen sind weit aufgerissen und ich kann erkennen, dass ich sie verletzt habe. » Ich bin noch hier.«
Plötzlich geht mir die Lösung auf â einfach, so lächerlich einfach. Ich lache beinahe laut auf. »Komm mit«, platze ich heraus. Hanas Blick gleitet nervös über den Strand, aber alle haben sich verteilt: Der alte Mann ist weitergetrottet, inzwischen bereits halb den Strand hinunter und auÃer Hörweite. »Ich meinâs ernst, Hana. Du könntest mitkommen. Es würde dir in der Wildnis gefallen. Es ist unglaublich. Es gibt dort ganze Siedlungen â¦Â«
»Du warst dort?«, unterbricht sie mich scharf.
Ich werde rot, weil ich ihr gar nicht von meiner Nacht mit Alex in der Wildnis erzählt habe. Ich weiÃ, dass sie auch das als Verrat sehen wird. Früher habe ich ihr alles erzählt. »Nur einmal«, sage ich. »Und nur ein paar Stunden. Es ist unglaublich, Hana. Es ist überhaupt nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Und wie wir über den Zaun gekommen sind ⦠Die Tatsache, dass man überhaupt über die Grenze kommt ⦠So viel ist ganz anders, als man uns immer gesagt hat. Sie haben uns angelogen , Hana.«
Ich halte überwältigt inne. Hana blickt zu Boden und zupft am Saum ihrer Laufshorts herum.
»Wir könnten es schaffen«, sage ich sanfter. »Wir drei zusammen.«
Hana sagt lange nichts. Sie sieht blinzelnd aufs Meer hinaus. SchlieÃlich schüttelt sie den Kopf, eine kaum wahrnehmbare Bewegung, und lächelt mich traurig an. »Ich werde dich vermissen, Lena«, sagt sie und mir rutscht das Herz in die Hose.
»Hana â¦Â«, hebe ich an, aber sie unterbricht mich.
»Oder vielleicht werde ich dich auch nicht vermissen.« Sie richtet sich auf und klopft den Sand von ihren Shorts. »So ist es doch nach dem Eingriff, nicht wahr? Kein Schmerz. Zumindest nicht diese Art Schmerz.«
»Du musst es nicht durchziehen.« Ich rappele mich auf. »Komm mit in die Wildnis.«
Sie stöÃt ein hohles Lachen aus. »Und all das zurücklassen?« Sie zeigt um sich. Sie sagt es
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