Delirium
soll das heiÃen?«
»Komm schon.« Ich verdrehe die Augen, werde immer selbstbewusster. »Du hast behauptet, du hättest mich bei der Evaluierung nicht gesehen. Du hast behauptet, du hättest mich nicht wiedererkannt.« Ich zähle seine Lügen an den Fingern ab. »Du hast behauptet, du wärst am Tag der Evaluierung noch nicht mal in den Labors gewesen.«
»Okay, okay.« Er hebt beide Hände. »Tut mir leid, ja? Hör zu, ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss.« Er sieht mich einen Moment an und seufzt dann. »Ich habe dir doch erzählt, dass die Wachleute während der Evaluierungen den Laborkomplex nicht betreten dürfen. Damit das Verfahren âºreinâ¹ bleibt oder so was, ich weià es nicht. Aber ich brauchte echt eine Tasse Kaffee, und im zweiten Stock in Block C steht eine Maschine, die richtig guten macht, mit echter Milch und allem, also habe ich mich mit meinem Zugangscode reingeschmuggelt. Das ist alles. Ende der Geschichte. Und nachher musste ich deswegen lügen. Das könnte mich den Job kosten. Und ich arbeite nur bei den blöden Labors, um mein Studium zu finanzieren â¦Â« Er verstummt. Ausnahmsweise sieht er nicht selbstsicher aus. Er sieht besorgt aus, als hätte er Angst, ich könnte ihn wirklich verraten.
»Und warum warst du auf der Tribüne?«, hake ich nach. »Warum hast du mich beobachtet?«
»Ich bin gar nicht bis in den zweiten Stock gekommen«, sagt er. Er sieht mich durchdringend an, als schätzte er meine Reaktion ab. »Ich kam rein und ⦠und hörte plötzlich dieses verrückte Geräusch. Dieses tosende, dröhnende Geräusch. Und noch etwas anderes. Ein Schreien oder so was.«
Ich schlieÃe kurz die Augen und erinnere mich an die brennenden weiÃen Lampen und daran, dass ich glaubte, das Meer vor den Labors rauschen zu hören und die Schreie meiner Mutter über die Entfernung eines Jahrzehnts hinweg. Als ich die Augen wieder öffne, betrachtet mich Alex immer noch.
»Wie auch immer, ich hatte keine Ahnung, was los war. Ich dachte â ich weià nicht ⦠Es klingt verrückt, aber ich dachte, vielleicht würden die Labors angegriffen oder so was. Und als ich da so stehe, sind da plötzlich ungefähr hundert Kühe, die auf mich zugerannt kommen â¦Â« Er zuckt mit den Achseln. »Links von mir war dieses Treppenhaus. Ich bin durchgedreht und abgehauen. Ich bin mal davon ausgegangen, dass Kühe keine Treppen steigen.« Er lächelt wieder, diesmal flüchtig, vorsichtig. »Und so bin ich auf der Tribüne gelandet.«
Eine völlig normale, vernünftige Erklärung. Ich bin erleichtert und habe jetzt weniger Angst vor ihm. Gleichzeitig rührt sich etwas in meiner Brust, ein dumpfes Gefühl, eine Enttäuschung. Und eine gewisse Sturheit, ein Teil von mir, der immer noch an ihm zweifelt. Ich sehe wieder vor mir, wie er auf der Tribüne stand, den Kopf lachend zurückgelegt; wie er mir zugezwinkert hat. Wie er gewirkt hat â amüsiert, selbstbewusst, glücklich. Ãberhaupt nicht verängstigt.
Eine Welt ohne Angst â¦
»Du weiÃt also nichts darüber, wie ⦠wie es dazu kam?« Ich kann kaum glauben, dass ich mich das traue. Ich balle die Fäuste. Hoffentlich bemerkt er nicht, wie erstickt meine Stimme plötzlich klingt.
»Die Verwechslung bei der Anlieferung, meinst du?« Er sagt es leichthin, ohne dass seine Stimme stockt oder bricht, und der letzte meiner Zweifel verschwindet. Genau wie jeder Geheilte stellt er die offizielle Version nicht in Frage. »Ich war an diesem Tag nicht für die Warenannahme zuständig. Sal, der Typ, der dafür verantwortlich war, wurde rausgeschmissen. Man muss die Ware eigentlich bei Anlieferung überprüfen. Ich nehme an, diesen Punkt hat er ausgelassen.« Er legt den Kopf schräg und streckt die Hände aus. »Zufrieden?«
»Zufrieden«, sage ich. Aber der Druck in meiner Brust ist immer noch da. Obwohl ich vorhin noch unbedingt aus dem Haus rauswollte, wünschte ich jetzt, ich müsste nur blinzeln und wäre wieder in meinem Bett, würde die Decke von meinen Beinen streifen und mir bewusst werden, dass alles â die Party, die Begegnung mit Alex â nur ein Traum war.
»Also �« Er weist mit dem Kopf wieder Richtung Scheune. Die Band spielt irgendwas Lautes, Schnelles. Ich weià nicht, warum ich die Musik
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