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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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und auf der Suche nach verdächtigen Aktivitäten keinen Stein auf dem anderen lassen. Die Gesetze des Privateigentums sind bei Razzien aufgehoben. So ziemlich alle Gesetze sind bei Razzien aufgehoben.
    Wir haben alle die Horrorstorys gehört: schwangere Frauen, die sich in aller Öffentlichkeit ausziehen mussten und untersucht wurden, Leute, die für zwei oder drei Jahre ins Gefängnis geworfen wurden, nur weil sie einen Polizisten schräg angesehen hatten oder einen Aufseher davon abhalten wollten, ein bestimmtes Zimmer zu betreten.
    Â»Dies ist eine Razzia. Wenn Sie aufgefordert werden, das Haus zu verlassen, vergewissern Sie sich bitte, dass Sie alle relevanten Unterlagen in der Hand halten, darunter auch die Papiere aller Kinder, die älter sind als sechs Monate … Jeder, der sich widersetzt, wird festgenommen und verhört … Jeder, der das Vorgehen verzögert, wird wegen Behinderung der Staatsgewalt angezeigt …«
    Am anderen Ende der Straße. Dann ein paar Häuser entfernt … Dann zwei Häuser entfernt … Nein. Nebenan. Ich höre, wie der Hund der Richardsons anfängt wütend zu bellen. Dann Mrs Richardson, die sich entschuldigt. Wieder Bellen – dann murmelt jemand (ein Aufseher?) etwas und ich höre ein paar schwere Schläge und ein Wimmern, dann jemand anders, der sagt: »Du musst das Mistvieh ja nicht gleich umbringen«, und wieder jemand, der sagt: »Warum nicht? Ist wahrscheinlich eh voller Flöhe.«
    Dann herrscht eine Weile lang Stille. Gelegentlich knistern die Walkie-Talkies, jemand spricht Identitäts-Codes in ein Telefon, Papier raschelt.
    Dann: »Alles klar. Alles in Ordnung.« Und die Stiefel gehen weiter.
    Trotz all ihrer Gleichgültigkeit wirken sogar Rachel und Carol angespannt, als die Stiefel an unserem Haus vorbeitrampeln. Carol umklammert ihre Kaffeetasse so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß werden. Mein Herz hüpft und setzt immer wieder aus, wie ein Grashüpfer in meiner Brust.
    Aber die Stiefel gehen vorbei. Rachel stößt einen hörbar erleichterten Seufzer aus, als wir mitbekommen, wie die Aufseher an eine Tür weiter unten in der Straße klopfen. »Machen Sie auf … Dies ist eine Razzia.«
    Carols Kaffeetasse klappert auf die Untertasse und ich fahre vor Schreck zusammen. »Verrückt, oder?«, sagt sie und lacht gezwungen. »Selbst wenn man nichts verbrochen hat, macht es einen doch nervös.«
    Ich spüre einen dumpfen Schmerz in meiner Hand und mir wird bewusst, dass ich mich nach wie vor an der Arbeitsplatte festkralle, als hinge mein Leben davon ab. Es gelingt mir nicht, mich zu entspannen oder mich zu beruhigen, noch als das Geräusch der Schritte immer weiter verhallt, die Megafon-Stimme immer verzerrter klingt, bis sie völlig unverständlich ist. Ich kann an nichts anderes denken als an die Gruppen, die die Razzien durchführen – manchmal ganze fünfzig in einer einzigen Nacht –, ausschwärmen, um Portland kreisen, es umgeben wie Wasser, das einen Strudel bildet, und alle und jeden einsammeln, denen sie Fehlverhalten oder Ungehorsam vorwerfen können, und sogar Leute, denen sie das nicht vorwerfen können.
    Irgendwo da draußen tanzt Hana, wirbelt lächelnd herum, ihre blonden Haare fliegen hinter ihr – während sich Jungen um sie drängen und ungenehmigte Musik aus den Lautsprechern dröhnt. Ich kämpfe gegen unglaubliche Übelkeit an. Nicht auszudenken, was mit ihr – mit ihnen allen – passiert, wenn sie geschnappt werden.
    Alles, was ich tun kann, ist hoffen, dass Hana noch gar nicht auf der Party ist. Vielleicht hat es zu lange gedauert, bis sie fertig war – das wäre möglich, Hana ist immer spät dran –, und sie war noch zu Hause, als die Razzien losgingen. Noch nicht mal Hana würde sich während einer Razzia nach draußen trauen. Das ist Selbstmord.
    Aber Angelica Marston und alle anderen … jeder Einzelne dort … alle, die nur ein wenig Musik hören wollten …
    Ich muss daran denken, was Alex in jener Nacht gesagt hat, als ich ihn auf der Roaring Brook Farm getroffen habe: Ich bin wegen der Musik hier, wie alle anderen auch.
    Ich verdränge das Bild aus meinem Kopf und sage mir, dass das nicht mein Problem ist. Ich sollte froh sein, wenn eine Razzia bei der Party durchgeführt wird und alle festgenommen werden. Was sie dort tun, ist gefährlich, nicht

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