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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Höhle an. Man lud ab, und alles wurde hereingeschafft. Ich hatte erwartet, von dem Scheik Vorwürfe zu erhalten. Aber seine erste Frage war:
    »Hast du den Dscheheïne gefangen?«
    »Ja.«
    »Er ist hier?«
    »Unverletzt und gesund.«
    »So werden wir über ihn richten!«
    Bis man alles geordnet hatte, war es Mittag geworden. Nun sollte das Gericht beginnen. Vorher hatte ich aber mit Halef eine interessante Unterredung.
    »Sihdi, erlaube mir eine Frage,« bat er.
    »Sprich!«
    »Nicht wahr, du weißt noch alles, was du über mich und Hanneh niedergeschrieben hast?«
    »Alles.«
    »Wann muß ich Hanneh wieder hergeben?«
    »Sobald du die Wallfahrt beendet hast.«
    »Aber ich habe sie noch nicht beendet!«
    »Was fehlt noch?«
    »Nichts, denn ich bin in Mekka mit allem fertig, da es sehr schnell gegangen ist. Aber ich möchte mein Weib behalten, und da ist es mir eingefallen, daß zu einer richtigen Hadsch auch ein Besuch in Medina gehört.«
    »Das ist sehr richtig. Was sagt Hanneh dazu?«
    »Sihdi, sie liebt mich. Glaube es – sie hat es mir selbst gesagt!«
    »Und du liebst sie wieder?«
    »Sehr! Steht nicht geschrieben, daß Allah dem Adam eine Rippe genommen und daraus die Eva geschaffen habe? Unter der Rippe liegt das Herz, und also wird das Herz des Mannes stets beim Weibe sein.«
    »Aber was wird der Scheik sagen?«
    »Das ist es ja, was mir Sorge macht, Sihdi!«
    »Weitere Sorge hast du nicht?«
    »Nein.«
    »Und ich? Was werde ich dazu sagen?«
    »Du? O, du wirst mir deine Einwilligung geben, denn ich werde dich dennoch nicht verlassen, so lange du mich bei dir haben willst.«
    »Dein Weib könnte aber doch nicht mit umherziehen; bedenke das!«
    »Das soll sie auch nicht. Ich werde sie bei ihrem Stamme lassen, bis ich zurückkehren kann.«
    »Halef, das ist eine Aufopferung, welche ich nicht verlange. Aber da ihr euch einander so lieb habt, so mußt du eben dein möglichstes thun, sie behalten zu dürfen. Vielleicht läßt sich der Scheik erbitten, daß du sie nicht wieder abzutreten brauchst.«
    »Sihdi, ich gebe sie nicht wieder her, und wenn ich fliehen müßte. O sie weiß, daß ich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah bin, und sie würde mit mir bis an das Ende der Welt gehen!«
    Mit dieser selbstbewußten Versicherung schritt er stolz von dannen. Unterdessen hatte sich ein Kreis gebildet, in dessen Mitte Abu-Seïf getragen worden war. Ich ward aufgefordert, an der Verhandlung teil zu nehmen, und setzte mich neben dem Scheik Malek nieder.
    »Effendi,« begann dieser, »ich habe gehört, daß du behauptest, Rechte an diesen Mann zu haben, und weiß, daß dies die Wahrheit ist. Willst du ihn uns abtreten oder willst du mit uns über sein Schicksal abstimmen?«
    »Ich werde mit abstimmen, ich und Halef, denn auch er hat Rache an Abu-Seïf zu nehmen.«
    »So nehmt dem Gefangenen die Fesseln ab!«
    Er wurde losgebunden, blieb aber bewegungslos liegen, als ob er tot sei.
    »Abu-Seïf, erhebe dich vor diesen Männern, um dich zu verantworten!«
    Er blieb liegen, ohne nur die Augenlider aufzuschlagen.
    »Er hat die Sprache verloren, ihr seht es, ihr Männer; warum sollen wir da mit ihm reden? Er weiß, was er gethan hat, und wir wissen es auch; was könnten uns da die Worte und die Fragen nützen? Ich sage, daß er sterben muß, um den Schakalen, Hyänen und Geiern zur Speise zu dienen. Wer meiner Rede beistimmt, der mag es erklären.«
    Alle gaben ihre Zustimmung. Ich allein wollte mein Veto einlegen, wurde aber durch ein unvorhergesehenes Ereignis daran verhindert. Bei den letzten Worten des Scheik nämlich erhob sich plötzlich der Gefangene, schnellte zwischen zwei der Ateïbeh hindurch und sprang dem Ausgang zu. Ein lauter Schrei der Bestürzung erscholl, dann erhoben sich alle, um ihm nachzuspringen. Ich war der einzige, welcher zurückblieb. Er hatte große Schuld auf sich geladen und nach den Gesetzen der Wüste mehr als den Tod verdient; dennoch war es mir unmöglich gewesen, für diese Strafe zu stimmen. Vielleicht gelang es ihm, zu entkommen. War dies der Fall, so durften wir keine Stunde länger in der Höhle verweilen.
    Ich blieb lange Zeit allein. Der erste, welcher zurückkehrte, war der alte Scheik. Er war hinter den jungen Männern zurückgeblieben.
    »Warum bist du ihm nicht nach, Effendi?« fragte er mich.
    »Weil deine tapfern Männer ihn fangen werden, ohne meiner Hilfe zu bedürfen. Werden sie ihn wieder bekommen?«
    »Ich weiß es nicht. Er ist ein

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