Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
verkaufen?«
»Wir verkaufen keines dieser Pferde!«
»Ich höre, daß du ein Liebling Allahs bist. Du willst nur deshalb das Pferd nicht verkaufen, weil dein gutes Herz dir gebietet, es mir zu schenken.«
»Allah heile dir deinen Verstand! Ich werde auch kein Pferd verschenken.«
»O, du Muster von Barmherzigkeit, du wirst einst die Wonnen des Paradieses vierfach kosten; denn du willst mir nicht bloß ein Pferd, sondern vier verehren, weil ich so viele brauche!«
»Allah kerihm – Gott sei uns gnädig! Dieser Mensch ist deli, ist gewiß und wahrhaftig verrückt.«
»Bedenke, mein Bruder, daß die Verrückten nehmen, was man ihnen nicht freiwillig giebt! Blicke dich um! Vielleicht giebst du jenem dort das, was du mir verweigerst.«
Erst jetzt, beim Anblick des Engländers, wurde ihnen die Situation vollständig klar. Sie legten die Lanzen zum Stoße ein.
»Was wollt ihr?« fragte mich der Sprecher.
»Unsere Pferde, welche ihr uns beim Anbruch des Tages gestohlen habt.«
»Mensch, du bist wahrhaftig toll! Wenn wir dir Pferde genommen hätten, so hättest du uns mit den Füßen nicht erreichen können!«
»Meinst du? Ihr wißt, daß diese vier Pferde den Franken gehören, welche dort mit dem Schiffe angekommen sind. Wie könnt ihr denken, daß Franken sich ungestraft bestehlen lassen, und daß sie nicht klüger sind, als ihr! Ich habe gewußt, daß ihr am Fluß einen Umweg machen würdet, bin herübergeschwommen und euch zuvorgekommen. Ihr aber habt euch allerdings täuschen lassen. Ich will nicht Menschenblut vergießen; darum bitte ich euch, mir die Pferde freiwillig zurückzugeben. Dann könnt ihr gehen, wohin ihr wollt!«
Er lachte.
»Ihr seid zwei Männer, und wir sind sechs.«
»Wohl! So thue ein jeder, was ihm beliebt!«
»Weiche vom Wege!«
Er legte die mit Straußenfedern verzierte Lanze ein und trieb sein Pferd auf mich zu. Ich erhob den Stutzen: der Schuß krachte, und Roß und Reiter stürzten nieder. Ich bedurfte keiner Minute, um noch fünfmal zu zielen und fünfmal abzudrücken. Alle Pferde stürzten, und nur die unserigen, welche man zusammengekoppelt hatte, waren unversehrt. Der, welcher sie vorher an der Leine hielt, hatte sie losgelassen. Wir benützten den Augenblick der Verwirrung, sprangen auf und eilten davon.
Hinter uns ertönte das Zorngeschrei der Araber. Wir machten uns nichts daraus, sondern brachten die Riemen unserer Tiere in Ordnung und ritten lachend davon.
» Magnificent – prächtig – schönes Abenteuer – hundert Pfund wert! Wir zwei, sie sechs – sie uns vier Pferde genommen, wir ihnen sechs genommen – ausgezeichnet – herrlich!« lachte Lindsay.
»Ein Glück, daß es so ausgezeichnet, so herrlich abgelaufen ist, Sir. Wären unsere Tiere scheu geworden, so kamen wir nicht so schnell weg und hätten sehr leicht einige Kugeln erhalten können.«
»Machen wir auch Umweg oder gehen grad aus?«
»Grad aus. Wir kennen unsere Pferde; der Übergang wird gelingen.«
Wir kamen in guter Zeit wieder bei unseren Zelten an, und bald nach unserer Ankunft stieß das Boot vom Lande ab und wir blieben allein in der Wüste zurück.
Lindsay wollte anfangs sehr viel Gepäck und auch Proviant mitnehmen, ich aber hatte ihn zu einer andern Ansicht gebracht. Wer ein Land kennen lernen will, der muß auch lernen, sich auf die Gaben desselben zu beschränken, und ein Reiter darf nie mehr bei sich haben, als sein Tier zu tragen vermag. Übrigens waren wir reichlich mit Munition versehen, was die Hauptsache ist, und außerdem verfügte der »Nobelman« über so bedeutenden Geldvorrat, daß wir davon den Reiseaufwand für Jahre hinaus hätten bestreiten können.
»Nun allein am Tigris,« meinte er. »Nun gleich graben nach Fowling-bulls und andern Altertümern!«
Der gute Mann hatte sicher sehr viel gelesen und gehört von den Ausgrabungen bei Khorsabad, Kufjundschik, Hammum Ali, Nimrud, Keschaf und El Hather und war dadurch auf den Gedanken gekommen, nun seinerseits auch das britische Museum zu bereichern und dadurch ein berühmter Mann zu werden.
»Jetzt gleich?« fragte ich ihn. »Das wird nicht gehen!«
»Warum? Habe Hacke mit.«
»O, mit diesem Mattok werden Sie nicht viel machen können. Wer hier graben will, muß sich erst mit der Regierung verständigen – – –«
»Regierung? Welche?«
»Die türkische.«
»Pah! Hat Niniveh den Türken gehört?«
»Allerdings nicht, denn damals war von den Türken keine Rede. Aber die Ruinen gehören jetzt zum türkischen
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