Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
der andere mit seinem Bu-kendim . Dann kehrte der Offizier in das Thal zurück, wobei es ihm erlaubt wurde, seine drei Soldaten wieder mitzunehmen.
Nun wartete Pali auf die Befehle seines Vorgesetzten.
»Willst Du mir einen Brief an den Mutessarif schreiben?« frug mich dieser.
»Gern! Was willst Du ihm mittheilen?«
»Die jetzige Lage seiner Truppen. Dann sollst Du ihm sagen, daß ich mit ihm zu verhandeln wünsche, daß ich ihn entweder hier erwarte oder in Dscherraijah mit ihm zusammentreffen will. Er darf aber eine Begleitung von höchstens fünfzig Mann mitbringen und hat sich aller Feindseligkeiten zu enthalten. Die Zusammenkunft findet übermorgen bis zum Mittag Statt. Versäumt er, zu kommen, so tödte ich den Makredsch und lasse seine Truppen ihre eigenen Kartätschen fühlen. Dies geschieht auch dann, sobald ich bemerke, daß er gesonnen ist, die Feindseligkeiten fortzusetzen. Kannst Du dies schreiben?«
»Ja.«
»Ich werde Pali noch ganz besondere Aufträge ertheilen. Schreibe so schnell wie möglich, damit er bald aufbrechen kann!«
Einige Minuten später saß ich im Zelte und schrieb mit meinem Bleistifte, nach orientalischer Manier das Papier auf dem Knie, von der Rechten zur Linken hinüber den Brief an den Gouverneur, der sicher beim Lesen desselben keine Ahnung hatte, daß er von seinem Schützlinge verfaßt worden war. Und kaum eine halbe Stunde später jagte das Pferd, welches Pali trug, im Galopp auf dem Wege nach Baadri hin. –
Das Fest der Dschesidi hatte eine außerordentliche Störung erfahren, aber das Bedauern darüber war nicht so groß, wie die Freude, daß es gelungen war, das große Unglück abzuwenden, welches der Versammlung in Scheik Adi gedroht hatte.
»Was wird nun aus dem Feste?« frug ich Ali Bey. »Die Osmanly können noch mehrere Tage lang da unten verweilen müssen, und eine so lange Zeit dürften die Dschesidi doch nicht warten wollen.«
»Ich werde ihnen ein Fest geben, welches größer ist, als sie erwartet haben,« antwortete er. »Weißt Du den Weg nach dem Thale Idiz noch genau?«
»Ja.«
»Du hast Zeit. Reite hin und hole Mir Scheik Khan mit den Scheiks und Kawals herbei. Wir wollen sehen, ob sich die Überreste des Pir Kamek finden lassen, und sie im Thale Idiz begraben.«
Das war allerdings ein Gedanke, welcher bei den Dschesidi zünden mußte, und mir war es außerordentlich lieb, bei dem Begräbnisse eines Dschesidi gegenwärtig sein zu können. Ich nahm nur Halef mit, den Buluk Emini aber ließ ich zurück.
Zwar hatte ich gesagt, daß der Weg nach dem Thale Idiz mir bekannt sei, aber ich war ja nicht von Scheik Adi, sondern von Baadri aus dorthin gekommen. Jedenfalls glaubte der Bey, daß ich mit dem Sohne Selek’s über Scheik Adi geritten sei, und ich klärte ihn nicht auf, weil es mir Vergnügen machte, zu sehen, ob ich das Thal finden werde, ohne den Weg zu kennen. In der Richtung konnte ich mich nicht irren, und die Spuren der Dschesidi vom Tage vorher mußten mich ja ganz genau führen. Ich ritt also an der Kante des Thales hin, bis ich oberhalb des Heiligthumes anlangte. Bis hierher kam ich an zahlreichen Dschesidi vorüber, welche den Abhang eng besetzt hielten; dann aber wandte ich mich links in den Wald hinein. Einem geübten Auge war es selbst vom Pferde herab nicht schwer, die Spur zu erkennen. Wir folgten ihr und langten bald an der Stelle an, an welcher ich mit meinem Dolmetscher hinabgestiegen war. Hier stand eine Wache, welche den Auftrag hatte, jeden Unberufenen abzuweisen. Wir stiegen von den Pferden und ließen dieselben oben.
Als wir die Steilung hinunterkletterten, bot sich uns ein seltsamer, lebensvoller Anblick dar. Tausende von Frauen und Kindern hatten sich in den malerischsten Stellungen dort unten gelagert. Pferde grasten; Rinder weideten; Schafe und Ziegen kletterten an den Felsen herum; aber kein Laut war zu hören, denn ein Jeder redete leise, damit das Versteck ja nicht durch einen unvorsichtigen Laut verrathen werde. Am Wasser saß Mir Scheik Khan mit seinen Priestern. Sie empfingen mich mit großer Freude; denn sie hatten bisher nur erfahren, daß der Angriff des Feindes allerdings mißlungen sei, aber einen ausführlichen Bericht hatten sie noch nicht erhalten.
»Ist das Heiligthum erhalten?«
Das war die erste Frage, die der Khan an mich richtete.
»Das Heiligthum ist unversehrt, und ebenso alle anderen Gebäude.«
»Wir hörten das Schießen. Ist viel Blut geflossen?«
»Nur das der Osmanly.«
»Und die
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