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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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brüllte er.
    Ich ließ ihn wieder nieder.
    »Was hätte mich gehindert, Dich hinab zu werfen? Nun gehe und sage Deinen Männern, was Du gehört hast!«
    »Du gibst diesen Mann nicht heraus?«
    »Einstweilen noch nicht!«
    »So behalte auch den Todten. Du wirst ihn bezahlen müssen!«
    Er stieg nicht wieder in das Innere des Hauses, sondern gleich an der Leiter hinab, welche an der Außenseite des Hauses lehnte.
    »Und sage Deinen Leuten,« rief ich ihm noch zu, »daß sie fortgehen und diese Leiter mitnehmen sollen. Ich wünsche, dieses Haus frei zu haben, und werde Jedem, der vor demselben stehen bleibt, eine Kugel senden!«
    Er hatte die Erde erreicht und sprach leise mit den Männern. Ebenso leise wurde ihm geantwortet. Ich konnte kein Wort verstehen. Aber nach einiger Zeit wurde die Leiter weggenommen, und die Versammlung zerstreute sich.
    Erst jetzt rief ich dem Hunde zu. Er ließ von dem Manne ab, trat aber nur einen Schritt von ihm weg.
    »Stehe auf!« sagte ich zu dem Kurden.
    Dieser erhob sich schwerfällig und holte tief Athem. Er war sehr schmächtig von Gestalt, und seine Stimme hatte einen jugendlichen Klang, als er rief: »Chodeh!«
    Er sprach nur dieses eine Wort aus, aber es klang aus demselben die ganze Fülle der ausgestandenen Todesangst.
    »Hast Du Waffen bei Dir?«
    »Ich habe nur diesen Dolch.«
    Ich trat zur Sicherheit einen Schritt zurück.
    »Lege ihn zu Boden und gehe zwei Schritte von der Stelle weg!«
    Er that es, und ich hob den Dolch auf und steckte ihn zu mir.
    »Jetzt komm herunter!«
    Der Hund blieb oben, und wir stiegen hinab, wo die Andern meiner warteten. Ich erzählte ihnen nun, was sich oben zugetragen hatte. Der Engländer betrachtete sich den Gefangenen, welcher höchstens im Anfang der zwanziger Jahre stehen konnte, und sagte dann:
    »Master, dieser Kerl sieht sehr ähnlich! Dem Alten! Yes!«
    Jetzt fand ich dies auch; vorher hatte ich es nicht bemerkt.
    »Wahrhaftig! Sollte es sein Sohn sein?«
    »Sicher! Sehr sicher! Fragt ihn einmal, den Schlingel!«
    Verhielt es sich so, dann war allerdings die Sorge des Nezanum um diesen Menschen sehr begründet; aber dann lag auch ein ganz außerordentlicher Bruch der Gastfreundschaft vor.
    »Wer bist Du?« frug ich den Gefangenen.
    »Ein Kurde,« antwortete er.
    »Aus welchem Ort?«
    »Aus Mia.«
    »Du lügst!«
    »Herr, ich sage die Wahrheit!«
    »Du bist aus diesem Dorfe!«
    Er zögerte nur einen Augenblick, aber es war genug, um mir zu verrathen, daß ich Recht hatte.
    »Ich bin aus Mia!« wiederholte er.
    »Was thust Du hier so weit von Deiner Heimat?«
    »Ich bin als Bote des Nezanum von Mia hier.«
    »Ich glaube, Du kennst den Nezanum von Mia nicht so gut wie den hiesigen; denn Du bist der Sohn des Letzteren!«
    Jetzt erschrack er förmlich, obgleich er sich Mühe gab, dies nicht merken zu lassen.
    »Wer hat Dir diese Lüge gesagt?« frug er.
    »Ich lasse mich nicht belügen – weder von Dir noch von Anderen. Ich werde bereits in der Frühe wissen, wer Du bist, und dann gibt es keine Gnade, falls Du mich betrogen hast!«
    Er blickte verlegen vor sich nieder. Ich mußte ihm zu Hilfe kommen: »Wie Du Dich verhältst, so wirst Du behandelt. Bist Du aufrichtig, so will ich Dir verzeihen, weil Du zu jung warst, um Dir Alles vorher zu überlegen. Verharrst Du aber in Deiner Verstocktheit, so gibt es keine andere Gesellschaft für Dich als meinen Hund!«
    »Chodih, Du wirst es doch erfahren,« antwortete er nun. »Ja, ich bin der Sohn des Nezanum.«
    »Was suchtet Ihr in diesem Hause?« fuhr ich in dem Verhöre fort.
    »Die Pferde!«
    »Wie wolltet Ihr sie fortbringen?«
    »Wir hätten Euch eingeriegelt und die beiden Thüren geöffnet; dann waren die Pferde unser.«
    Dieses Geständniß war gar nicht beschämend für ihn, denn bei den Kurden gilt der Pferdediebstahl ebenso wie der offene räuberische Überfall für eine ritterliche That.
    »Wer ist der Todte, welcher oben liegt?«
    »Der Besitzer dieses Hauses.«
    »Sehr klug! Er mußte vorangehen, weil er die Schliche am besten kannte. Aber warum bist grad Du ihm gefolgt? Es waren doch noch andere und stärkere Männer vorhanden!«
    »Der Hengst, welchen Du rittest, Chodih, sollte meinem Vater gehören, und ich mußte dafür sorgen, daß kein Anderer ihn beim Zügel ergriff; denn wer ein Pferd zuerst ergreift, hat das Recht darauf.«
    »Also Dein Vater hat selbst den Diebstahl anbefohlen? Dein Vater, welcher mir die Gastfreundschaft zusagte!«
    »Er hat sie Dir zugesagt, aber Ihr

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