Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
auf mich fielen. Eine Blutspur zeigte mir, daß mein Rappe verwundet worden sei. Da dachte ich nicht mehr an die Gefährten; ohne umzublicken, rannte ich vorwärts und fand das Pferd an dem Rande jenes Gehölzes, wo es stehen geblieben war. Die Kugel hatte es hart hinter dem Genick am oberen Hals gestreift und eine zwar nicht gefährliche, aber doch schmerzhafte Wunde gerissen. Ich war noch mit der Untersuchung derselben beschäftigt, als die Gefährten mich erreichten. Sie hatten einige unnütze Kugeln verschossen und waren mir dann gefolgt, ohne weiteren Schaden zu erleiden. Der Engländer blutete am Oberarm.
»Ist’s gefährlich, Sir?« frug ich ihn.
»Nein. Ging nur ins Fleisch. Wißt Ihr, wer es war? Der Nezanum!«
»Nicht möglich!«
»Schoß vom Dache herab. Habe ihn deutlich gesehen!«
»So haben sie uns den Weg abgeschnitten und uns in diesem verlassenen Dorf einen Hinterhalt gelegt. Ein Glück für uns, daß sie sich nicht alle auf die Dächer postirten! Wir wären verloren gewesen. Aus den Fensterspalten aber kann man auf Vorüberreitende keinen sichern Schuß haben.«
»Seid schön heruntergeflogen, Master!« neckte er mich. »War sehr interessant, als man Euch dem Gaul nachlaufen sah! Yes!«
»Ich gönne Euch diese Freude, Sir. Doch vorwärts jetzt!«
»Vorwärts? Ich denke, wir müssen ihnen vorher unsern Dank abstatten!«
»Damit würden wir uns in neue Gefahr begeben, und übrigens ist es nothwendig, Euch zu verbinden, und dies muß doch nicht hier in so unmittelbarer Nähe des Feindes geschehen!«
»Well! So kommt!«
Der kleine Hadschi Halef Omar war damit nicht einverstanden.
»Sihdi,« meinte er, »wollen wir diesen Kurden nicht eine Lehre geben und es ihnen unmöglich machen, uns weiter zu verfolgen?«
»Wie willst Du dies thun?«
»Wo glaubst Du, daß sie ihre Pferde haben?«
»Einige davon vielleicht in den Häusern, die anderen aber ganz sicher außerhalb des Dorfes in irgend einem Versteck.«
»So laß uns diesen Versteck suchen und ihnen die Thiere wegnehmen! Schwer wird dies nicht sein; sie getrauen sich im offenen Felde nicht an uns heran und haben wohl auch keine zahlreiche Bewachung bei den Pferden gelassen.«
»Willst Du ein Pferdedieb werden, Halef?«
»Nein, Sihdi. Aber willst Du das, was ich Dir vorschlage, einen Diebstahl nennen?«
»In diesem Fall der Nothwehr wohl nicht; doch wäre es wenigstens sehr unvorsichtig gehandelt. Wir würden Zeit brauchen, um das Versteck zu finden, und müßten vielleicht mit den Wächtern kämpfen, was ganz unnöthig ist, da wir Gumri bald erreichen werden und uns alsdann in Sicherheit befinden.«
Wir setzten also unsern Ritt fort und bemerkten nach einiger Zeit, daß die Kurden uns wieder folgten. Sie hielten sich so weit von uns entfernt, daß wir uns in vollständiger und gegenseitiger Sicherheit befanden. Später verloren wir sie an einer Krümmung aus dem Auge und erblickten sie dann wieder vor uns. Sie hatten uns umritten, um entweder uns abermals den Weg zu verlegen, oder um uns in Gumri zuvor zu kommen. Wir bemerkten sehr bald, daß Letzteres beabsichtigt sein müsse; denn vor uns stiegen nun, allerdings in noch weiter Entfernung, die Umrisse des isolirten Felsens empor, auf welchem Kalah Gumri liegt. Dieses ist eigentlich nur ein schwaches, aus Lehm erbautes Fort, mit dem einige wenige Geschütze leicht fertig werden könnten; es wird aber von den Kurden für eine sehr starke Festung gehalten.
Wir hatten uns diesem Ort bis auf eine Entfernung von vielleicht einer englischen Meile genähert, als uns plötzlich ein wildes Geschrei umtobte und aus den nahen Büschen mehrere hundert kurdische Krieger hervorsprangen und auf uns eindrangen. Lindsay riß die Büchse empor.
»Um Gottes willen, Sir, nicht schießen!« rief ich ihm zu und schlug ihm den Lauf des Gewehres nieder.
»Warum?« frug er. »Fürchtet Ihr Euch, Master?«
Ich hatte keine Zeit zur Antwort. Die Kurden waren schon bei uns und zwischen uns und drängten uns aus einander. Ein junger Mensch trat auf meinen im Steigbügel ruhenden Fuß, schwang sich empor und holte mit dem Dolch zum Stoße aus. Ich riß ihm die Waffe aus der Hand und schleuderte ihn hinab. Dann packte ich einen Anderen beim Arm.
»Du bist mein Beschützer!« rief ich ihm zu.
Er schüttelte den Kopf.
»Du bist bewaffnet!« antwortete er.
»Ich vertraue Dir alle Waffen an. Hier, nimm sie!«
Er nahm meine Waffen an und legte dann die Hand auf mich.
»Dieser ist mein auf den ganzen Tag,«
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