Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
auch er nichts Näheres.
Die Diener des Persers brachten jetzt reichliche Speisevorräthe herbei, mit denen am Feuer ein Mahl bereitet wurde. Nach dem Essen stand ich auf, um die Umgebung des Lagers zu recognosciren und nach Dojan zu suchen. Halef begleitete mich. Zunächst begaben wir uns zu den Pferden. Der arme Hengst lag an der Erde. Er hatte den bereits erwähnten Lanzenstich und einen ziemlich tiefen Streifschuß erhalten, war jedoch von Halef nach Kräften verbunden worden. In der Nähe lagerten die Kameele. Es waren ihrer fünf; sie wiederkäuten, und es war bereits zu dunkel, als daß ich sie hätte taxiren können. Neben ihnen lagen ihre Lasten, und in einiger Entfernung stand der Tachterwahn, die Wohnung der beiden Frauen, die entflohen waren, als ich die Augen geöffnet hatte.
»Du sahst mich stürzen, Halef. Wie ist es dann gegangen?«
»Ich dachte, Du seiest todt, Sihdi, und das gab mir die Kräfte des Grimmes. Auch der Engländer wollte Dich rächen, und so konnten sie nicht widerstehen. Der Perser ist ein sehr tapferer Mann, und seine Diener gleichen ihm.«
»Habt Ihr keine Beute gemacht?«
»Waffen und einige Pferde, die Du in der Dunkelheit gar nicht bemerkt hast. Die Todten ließ der Perser in das Wasser werfen.«
»Waren vielleicht auch Verwundete dabei?«
»Ich weiß es nicht. Nach dem Kampfe untersuchte ich Dich und fühlte, daß Dein Herz noch schlug. Ich wollte Dich verbinden, aber der Perser erlaubte es nicht. Er ließ Dich an den Ort tragen, an welchem Du erwachtest, und da verbanden Dich die beiden Frauen.«
»Was erfuhrst Du über diese Frauen?«
»Die Eine ist das Weib und die Andere die Schwester des Persers. Sie haben eine alte Dienerin, die dort beim Tachterwahn kauert und immer Datteln kaut.«
»Und der Perser selbst? Was ist er?«
»Ich weiß es nicht; der Diener sagt es nicht; es muß ihm verboten sein, den Stand seines Herrn zu verrathen, und ich denke – – –«
»Halt!« unterbrach ich ihn. »Horche einmal!«
Wir hatten uns so weit vom Lager entfernt, daß das Geräusch desselben nicht mehr zu hören war; darum herrschte die tiefste Stille ringsumher. Während der letzten Worte Halef’s nun war es mir, als ob ich einen mir sehr wohl bekannten Laut gehört hätte. Wir blieben lauschend stehen. Ja, wirklich, jetzt war der zornige Anschlag deutlich zu hören, mit welchem der Windhund zu melden pflegte, daß er einen Feind gefaßt habe. Aber die Richtung, aus welcher dieser Ton kam, blieb ungewiß.
»Dojan!« rief ich laut. Auf diesen Ruf erhielt ich eine sehr deutliche Antwort; sie kam aus den Büschen, welche den Abhang bedeckten. Wir klimmten langsam empor. Zur sicheren Orientirung rief ich zuweilen den Hund, welcher dann stets antwortete. Zuletzt vernahmen wir das kurze, pfeifende Winseln, mit dem er seine Freude zu erkennen zu geben pflegte; das führte uns vollends zu ihm. Ein Kurde lag am Boden, und über ihm stand der wackere Hund, zum tödlichen Bisse bereit. Ich beugte mich nieder, um den Mann zu betrachten. Ich konnte seine Züge nicht erkennen, aber die Wärme seines Körpers bewies mir, daß er lebte, obgleich er es nicht wagte, sich zu rühren.
»Dojan, zurück!«
Der Hund gehorchte, und ich gebot dem Kurden, sich zu erheben. Er that es unter einem schweren, tiefen Athemzuge, der mir bewies, daß er eine nicht gewöhnliche Angst auszustehen gehabt hatte. Ich stellte nun ein Verhör mit ihm an, und er nannte sich einen Kurden vom Stamme der Soran. Da ich wußte, daß die Soran Todfeinde der Bebbeh sind, so argwöhnte ich, er sei ein Bebbeh und gebe sich für einen Soran aus, um sich zu retten.
Darum frug ich: »Wie kommst Du hierher und in diese Lage, wenn Du ein Soran bist?«
»Du scheinst ein Fremdling in diesem Lande zu sein,« erwiederte er, »da Du so fragen kannst. Die Soran waren groß und mächtig. Sie wohnten im Süden der Bulba, welche aus den vier Stämmen der Rummok, Manzar, Piran und Namash bestehen, und hatten ihren Hauptort in Harir, der besten Residenz von Kurdistan. Aber Allah nahm die Hand von ihnen, so daß ihre Macht von ihnen ging, um sich ihren Feinden zuzuwenden. Ihr letztes Banner hatten sie in der Gegend von Keuy Sandschiak aufgeschlagen; da kamen die Bebbeh und rissen es zu Boden. Ihre Heerden wurden geraubt, ihre Frauen und Mädchen fortgeführt und ihre Männer, Jünglinge und Knaben getödtet. Nur wenige retteten sich, um sich in alle Welt zu zerstreuen oder in der Einsamkeit zu verbergen. Zu diesen Letzteren gehöre
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