Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
nicht, Emir.«
Er schwieg eine Weile, dann frug er:
»Wirst Du mich begleiten, Emir, zur Verfolgung der Bebbeh?«
Ich verneinte, und er senkte das Haupt mit den Worten: »Ich wußte, daß Allah eine Erde erschaffen hat, auf welcher es keine wahre Freundschaft und Dankbarkeit gibt.«
»Du hast wohl nur eine falsche Ansicht von Freundschaft und Dankbarkeit,« erwiederte ich. »Denke zurück, so wirst Du mir zugestehen, daß ich ein wahrer Freund Deines Vaters gewesen bin, und dafür solltest Du mir dankbar sein. Ich bin bereit, Dich mit Gefahr meines eigenen Lebens nach den Weideplätzen der Schammar zu begleiten; aber eben als Dein Freund muß ich Dich abhalten, Dich in eine Gefahr zu begeben, in welcher Du nothwendiger Weise umkommen wirst.«
»Ich sage noch einmal: Du bist ein Christ und Du redest und handelst, wie ein solcher. Selbst Allah will, daß ich den Vater räche, denn er hat mir heut Abend durch Dich die Gelegenheit dazu gesendet. Jetzt bitte ich Dich, mich allein zu lassen!«
»Ich erfülle Dir diesen Wunsch, fordere aber von Dir, daß Du nichts unternimmst, ohne es vorher mit mir besprochen zu haben.«
Er wandte sich ab und antwortete nicht. Ich ahnte, daß er einen Entschluß gefaßt habe, an dessen Ausführung er von mir gehindert zu werden fürchtete, und ich beschloß, ihn sorgfältig zu beobachten.
Als ich am andern Morgen erwachte, saß er noch immer an derselben Stelle; aber der Soran-Kurde befand sich bei ihm, und sie sprachen sehr angelegentlich mit einander. Auch die Anderen waren bereits munter. Der Perser saß neben dem Tachterwahn und sprach mit den tief verschleierten Frauen.
»Emir, ich will den Vater begraben. Werdet Ihr mir helfen?« fragte mich Amad el Ghandur.
»Ja. Wo soll er begraben werden?«
»Dieser Mann sagt, droben zwischen den Felsen sei ein Ort, welchen die Sonne begrüßt früh, wann sie kommt, und Abends, wann sie geht. Ich will mir diesen Ort ansehen.«
»Ich werde Dich begleiten,« erwiederte ich.
Kaum bemerkte der Perser, daß ich mich erhoben hatte, so kam er herbei, um mir den Morgengruß zu bringen, und als er von unserm Vorhaben hörte, bot er sich zur Begleitung an. Wir fanden hoch droben auf dem Scheitel der Höhe einen mächtigen Felsblock und beschlossen, auf der Platte desselben das Grab zu errichten. In der Nähe lag die dürftige Hütte des Sorankurden, und etwas weiter fort befand sich ein ringsum abgeschlossener freier Platz, welcher sich ganz ausgezeichnet zu einem Lager eignete, zumal er einen Quell besaß. Wir beriethen uns und wurden einig, hier zu bleiben und unsere Thiere und Habseligkeiten herbeizuschaffen.
Dieses Letztere verursachte einige Schwierigkeiten, aber es gelang. Während die Unverletzten und weniger Verwundeten die schwerere Arbeit an dem Grabmale übernahmen, errichteten die Andern für die Frauen eine bedeckte Hütte, welche von dem Aufenthalte der Männer durch eine undurchsichtige Wand aus Zweigen abgesondert wurde. Da die Pferde die Ausdünstung der Kameele nicht ertragen können, so wurden sie von denselben getrennt.
Am Mittag war im Lager bereits Alles in schönster Ordnung. Der Perser besaß einen guten Vorrath von Mehl, Kaffee, Tabak und anderen nothwendigen Dingen. Fleisch konnten wir uns unschwer mit der Büchse verschaffen, und so brauchten wir nicht zu fürchten, Noth zu leiden.
Das Grabmal wurde erst später fertig. Es bildete einen über acht Fuß hohen Steinkegel, in welchem eine Höhlung gelassen war, um die Leiche aufzunehmen, welche zur Zeit des Mogreb beerdigt werden sollte. Amad el Ghandur selbst bereitete sie zum Begräbnisse vor, obgleich er sich dadurch, nach den Regeln seines Glaubens, verunreinigte.
Die Sonne stand nahe am Horizonte, als sich der kleine Trauerzug in Bewegung setzte. Voran schritten Allo und der Soran-Kurde, welche auf einer aus Ästen gefertigten Bahre den Todten trugen; wir Andern folgten paarweise, und Amad el Ghandur erwartete uns am Grabe. Die Öffnung desselben wies nach Westsüdwest, genau die Kibbla von Mekka, und als man den Todten hineinsetzte, war sein Angesicht nach jenen Gegenden gerichtet, in denen der Prophet der Moslemim die Besuche und Offenbarungen der Engel empfing.
Amad el Ghandur trat bleichen Angesichtes zu mir und frug:
»Emir, Du bist zwar ein Christ, aber Du warst in der heiligen Stadt und kennst das heilige Buch. Willst Du Deinem todten Freunde die letzte Ehre erweisen und über ihn die Sure des Todes sprechen?«
»Gern, und auch die Sure des
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