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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zuzusehen.
    Dieses einsame, hoch gelegene Grabmal erinnerte mich an das Felsenmonument, welches wir dem Pir Kamek im Thale Idiz errichtet hatten. Wer hätte damals beim Begräbnisse des dschesidischen Heiligen ahnen können, daß Mohammed Emin auf so ferner, kurdischer Höhe seine letzte Ruhestätte finden würde! Es war mir so trüb und traurig zu Muthe, und ich fühlte eine solche Leere in mir, als sei mit dem Freunde ein Theil meines eigenen Wesens von mir gewichen. Und doch sollte man am Grabe eines guten Menschen nie trauern; der Tod ist ja der Bote Gottes, welcher uns nur naht, um uns empor zu führen zu jenen lichten Höhen, von denen der Erlöser seinen Jüngern sagte: ›In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen, und ich gehe hin, Euch die Stätte zu bereiten.‹ Das Leben ist ein Kampf; man lebt, um zu kämpfen, und man stirbt, um zu siegen. Darum die Mahnung des Apostels: ›Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, und ergreife das Leben, dazu auch Du berufen bist!‹
    Die Sonne küßte den Horizont, und ihre scheidenden Strahlen färbten denselben mit flammenden Lichtern, die sich, dem Osten entgegen, in immer milderen Tinten verloren. Die bewaldeten Höhen unter mir glichen einem grünen Meere, über dessen erstarrte Wogen die Dämmerung ihre langsam vorrückenden Schatten breitet. Nur über die nahe liegenden Kämme merkte man den Abendwind streichen, vor dessen Hauche sich die Wipfel leise neigten. Die Schatten wurden dunkler; die Ferne verschwand; das Abendroth war verglüht, und nun legte auch die Nähe dasAlles verhüllende Gewand des Abends an. Wer doch mit der Sonne ziehen könnte! Wer ihr doch folgen könnte weit, weit fort zum Westen, wo ihre Strahlen noch voll und warm die Heimat beleuchteten! Hier auf der einsamen Höhe streckte das Heimweh seine Hand nach mir aus, das Heimweh, welchem in der Fremde kein Mensch entrinnen kann, in dessen Brust ein fühlendes Herz schlägt. ›Ubi bene ibi patria‹ ist ein Spruch, dessen kalte Gleichgültigkeit im Leben nicht allzu oft ihre Bestätigung findet. Die Eindrücke der Jugend sind niemals gänzlich zu verwischen, und die Erinnerung kann wohl schlafen, aber nicht sterben. Sieerwacht, wenn wir es am allerwenigsten denken, und bringt jene Sehnsucht über uns, an deren Weh das Gemüth so schwer erkranken kann. Ich dachte an die tief innigen Strophen des deutsch-amerikanischen Dichters Konrad Kretz, deren letzte also lautet:
    »Land meiner Väter, länger nicht das meine,
So heilig ist kein Boden, wie der deine.
Nie wird dein Bild aus meiner Seele schwinden;
Und knüpfte mich an dich kein lebend Band,
Es würden mich die Todten an dich binden,
Die deine Erde deckt, mein Vaterland!«
     
    Auf einem Umwege kehrte ich in’s Lager zurück, wo Alle schon schliefen. Trotz der späten Stunde lag ich noch lange schlaflos auf meiner Decke. Es wurden schon einige Vogelstimmen hörbar, als ich endlich einschlief. Ich erwachte gegen Mittag und erfuhr von Halef, daß der Engländer mit dem Perser auf die Auerhühnerjagd gegangen sei. Sie hatten Dojan mitgenommen. Die Wunde des wackeren Hadschi Halef war schmerzhafter als die meinige, doch hatte ihm die alte Dienerin Alwah bereits am Morgen neue Arzneitropfen gebracht, welche nicht ohne Wirkung geblieben waren.
    »Wie lange bleiben wir hier liegen, Sihdi?« frug er.
    »Doch wohl so lange, bis wir ohne Gefahr für unsere Wunden aufzubrechen vermögen. Was hast Du gefrühstückt?«
    »Verschiedenes, das ich gar nicht kenne. Diese Perserinen verstehen vortrefflich zu backen und zu braten. Allah erhalte sie uns, so lange wir sie brauchen! Der Mirza sagte, wenn Du erwachtest, so solle ich nur an die Scheidewand treten und in die Hände klatschen.«
    »Thue es, Halef!«
    Er folgte dem Gebote, und gleich darauf erschien das ›Tausendschönchen‹ mit einem Znabilik und einem Kawehdan. In dem Ersteren befand sich frisches, ungesäuertes Brod nebst kalten Bratenschnitten, und in dem Letzteren dampfte der wohlriechende Trank, dessen Cichorie-Imitation in Sachsen den poetischen Namen ›Bliemchenkaffee‹ führt.
    »Wie ist Dir, Emir?« frug die Alte. »Du hast auch heut wieder sehr lange geruht; Allah sei Dank!«
    »Ich bin sehr munter und hungrig, meine liebe Alwah.«
    »Hier hast Du Labung; iß und trink, damit Deine Tage nie alle werden.«
    »Ich danke Dir; grüße das ›Haus‹ von mir!«
    »Es ist eigentlich nicht Sitte, aber ich werde es dennoch thun, denn Du bist der Freund und Bruder des Herrn.«
    Sie trippelte von

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