Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
nicht das freundlichste Andenken an Baalbeck mitnehmend.
Es war während unserer kurzen Vorbereitungen doch schon ziemlich licht geworden, so daß wir bereits sehen konnten. Sobald wir die grüne Ebene Baalbeck’s hinter uns hatten, mußten wir durch eine weite, unfruchtbare Ebene, in welcher es aber einige hübsche Weinberge gab. Von der Einfriedung dieser Weinberge blickten uns weiße Heckenrosen und Blutstropfen Christi entgegen. Dann erreichten wir das Dorf Dschead.
Hier erkundigten wir uns und hörten, daß gestern kein Fremder übernachtet habe, daß aber ein von Aïn Ata kommender Bewohner des Dorfes einem einsamen Reiter begegnet sei, welcher jedenfalls nach diesem Orte gewollt habe. In Aïn Ata erfuhrenwir dann, daß dieser Reiter wirklich dort durchgeritten sei und sich einen Mann gemiethet habe, der genau den kürzesten Weg nach Tripoli wisse.
Wir nahmen uns auch einen solchen Führer und folgten sofort. So ritten wir unter steten Erkundigungen nach dem Verfolgten den Ostabhang des Libanon hinan und den Westabhang wieder hinab, ohne Ruh und Rast, nur des Nachts uns ein wenig erholend. Ich hatte mir diese Reise über das berühmteste Gebirge der christlichen Erde ganz anders gedacht. Nicht einmal den berühmten Cedernwald konnte ich besuchen.
Endlich sahen wir das Mittelmeer in herrlicher Bläue uns entgegenschimmern, und unten am Fuße des Gebirges und am Gestade des Meeres lag Tripoli, welches die Araber Tarablus nennen. Die Stadt liegt etwas in das Land zurück, und nur die Vor- oder Hafenstadt El Mina hat sich an das Meer gelegt; zwischen beiden aber duften die herrlichsten Gärten und befestigen den Eindruck, welchen auch das Innere der Stadt auf den Beschauer macht.
Wir sahen, als wir der Stadt näher kamen, eine zierliche Goëlette den Hafen verlassen. Sollte es schon zu spät sein? Sollte sich Abrahim Mamur dort an Bord befinden? Wir strengten unsere Thiere an und brausten hinab, hinaus nach El Mina. Dort nahm ich mein Fernrohr und richtete es auf das Schiff. Es war noch nahe genug, um die Gesichtszüge der Männer zu erkennen, welche zurück nach dem Lande schauten. Ja, dort stand er an der Reiling; ich sah seine Züge genau und stampfte zornig den Boden mit den Füßen. Neben mir stand ein schmutziger türkischer Matrose.
»Was ist das für ein Schiff?« fragte ich.
»Maschallah! Ein Segelschiff!« antwortete er, mir mit seemännischer Verachtung den Rücken zukehrend.
Etwas abseits stand der alte Limandar, den ich an seinem Abzeichen erkannte. Ihm legte ich dieselbe Frage vor und erfuhr, daß es die ›Bouteuse‹ aus Marseille sei.
»Wohin?«
»Nach Stambul.«
»Geht ein anderes Schiff bald dorthin?«
»Es ist keines da.«
Da hatten wir es! Nun hielten wir am Strande! Was machen? Der Engländer schimpfte englisch, und die Irländer halfen; Jacub schimpfte kurdisch, und ich hätte ihm helfen mögen. Aber das konnte keinen Nutzen bringen.
»Wir müssen nach Beirut. Dort finden wir sicher ein Fahrzeug nach Stambul,« schlug ich vor.
»Glaubst Du wirklich, Herr?« frug Jacub Afarah.
»Ich bin überzeugt davon.«
»Aber Du wolltest doch nach Jerusalem!«
»Dazu ist auch später Zeit. Ich habe nicht eher Ruhe, als bis ich weiß, ob die Juwelen für Dich verloren sind, oder nicht.«
Halef, mein kleiner Hadschi, fragte, ob ich ihn mitnehmen wolle. Das verstand sich ganz von selbst. Und daß Lindsay uns nicht allein reisen lassen werde, war ebenso gewiß. Jacub lohnte seinen Führer und den Pferdeverleiher ab; dasselbe that auch der Engländer. Es wurden andere Führer und Thiere genommen, und am andern Morgen setzte sich der Zug in Bewegung.
In der Hafenstadt angekommen, erfuhren wir, daß ein amerikanischer Schooner daliege, welcher nach Stambul fahren wolle. Wir sahen ihn uns an. Er war scharf auf dem Kiele gebaut und hatte Klippertakelage, war also ein guter Segler, dem man sich anvertrauen konnte, wenn man keine Scheu vor ein wenig Sturzsee hatte. Wir sprachen mit dem Capt’n und wurden mit ihm einig. Ade, ade, Du stolzer Libanon! Dieses Mal bin ich achtlos an Dir vorübergegangen. Ade also für ein anderes Mal! – – –
In Stambu l
Da saßen Zwei in einem Zimmer des Hôtel de Pest in Pera, tranken den famosen Ruster, den ihnen der Wirth, Herr Totfaluschi, eingeschenkt hatte, rauchten dazu und langweilten sich entsetzlich, wie es schien.
Sie sahen nicht gar sehr ›geschniegelt und gebügelt‹ aus. Das Äußere des Einen bestand in langen, starken Juchtenstiefeln,
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