Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Du, Sihdi, daß ich nicht gezittert habe!«
Wir warteten noch eine Weile, aber Abrahim Mamur kam nicht wieder empor, und wir beide waren überzeugt, daß der Schuß ein wohl gezielter gewesen sei. Nun kehrten wir wieder nach dem Kampfplatze zurück.
Zwar hatte ich während unseres Dauerlaufes auf die Richtung geachtet und mir auch möglichst die Zahl und Lage der Gäßchen gemerkt, aber es fiel uns dennoch nicht leicht, uns zurecht zu finden, und es dauerte eine geraume Weile, ehe wir unsere Wohnung erreichten.
Dort hatte sich unterdessen Vieles verändert. In der Gasse war es ziemlich hell geworden, denn ihre Bewohner und auch Leute aus den Nachbargassen standen mit Papierlaternen da. Ein Theil der Soldaten bildete Cordon vor den drei Häusern, und der andere Theil suchte entweder noch nach versteckten Flüchtlingen in den Höfen, oder er bewachte die Gefangenen, welche man gemacht hatte. Gefangen aber nannte man eine jede Person, welche heut in dem Hause des Griechen gewesen war. Dieser selbst war todt. Der Hauptmann hatte ihm mit einem Säbelhiebe den Kopf gespalten. Sein Weib aber stand bei den Mädchen und Knaben, welche man zusammengebunden hatte. Auch die Berauschten hatte man herbei geschafft. Im Tumulte des Kampfes war ihnen die Besinnung so ziemlich zurückgekehrt. Einige Soldaten waren todt, mehrere verwundet, und es stellte sich leider heraus, daß auch mein wackerer Halef einen Streifschuß in den Vorderarm und einen, glücklicherweise ungefährlichen, Stich gleich daneben erhalten hatte. Gefangen hatte man nur vier Männer, von denen sicher zu sein schien, daß sie Mitglieder der Gaunergesellschaft wären. Sechs waren getödtet worden, und den Übrigen war es geglückt, zu entkommen. Omar, der sich am meisten vorgewagt hatte, lehnte sehr verdrießlich an der Treppe; er hatte Abu el Nassr nicht gefunden und sich dann um das Weitere nicht gekümmert.
Der alte Baruch war schon schlafen gegangen, als geschossen wurde. Gleich darauf hatte man seine Flurthüren eingeschlagen, und er war vor Angst in seiner Stube eingeschlossen geblieben. Jetzt erst kam er hervor und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen, als er hörte, was geschehen sei. Endlich hatte man alle Gefangenen zum Transporte zusammengekoppelt, und nun gab der Offizier seinen Soldaten die Erlaubniß, das Haus des Griechen zu plündern. Dies ließen sie sich nicht zweimal sagen; in Zeit von zehn Minuten war Alles fortgenommen, was sich nicht gar zu schwer transportiren ließ.
Während dieser Zeit suchte ich den Hauptmann auf, den ich nach dem Offizier fragte.
»Er steht draußen vor dem Hause,« lautete die Antwort.
Das wußte ich bereits; aber es lag mir daran, etwas über diesen Mann zu erfahren. Erst hatte ich sein Schweigen geachtet; dann aber war er mir nicht in der Weise begegnet, die ich von ihm erwarten konnte; jetzt nach beendigtem Kampfe kümmerte er sich gar nicht um mich, und ich hielt es auch nicht mehr für nöthig, diskret zu sein.
»Welchen Rang bekleidet er?« fragte ich.
»Frage nicht,« erklang es ziemlich barsch. »Er hat verboten, es zu sagen!«
Eben deswegen mußte ich es erfahren! Einer der Soldaten war noch im Hofe Baruch’s mit Suchen beschäftigt gewesen, als die Anderen plünderten. Er war also schlechter weggekommen als sie und wollte fluchend durch das Haus nach der Gasse gehen. Dort fing ich ihn auf.
»Du hast nichts bekommen können?« fragte ich ihn.
»Nichts!« brummte er höchst ärgerlich.
»So sollst Du Dir bei mir etwas verdienen, wenn Du mir eine Frage beantwortest.«
»Welche Frage?«
»Welchen Rang bekleidet der Offizier, welcher Euch heut angeführt hat?«
»Wir sollen von ihm nicht sprechen; aber er hat auch nicht an mich gedacht. Gibst Du mir zwanzig Piaster, wenn ich es Dir sage?«
»Du sollst sie haben.«
»Er ist Mir Alai und heißt – –«
Er nannte mir den Namen eines Mannes, der später eine bedeutende Rolle spielte und noch heut als hoher Würdenträger bekannt ist. Er ist kein geborener Türke und hat sich vom Lieblingsdiener seines einstigen Herrn durch nichts weniger als geistige Verdienste zu seiner jetzigen Stellung emporgearbeitet.
Ich bezahlte die ausbedungene Summe und warf dann einen Blick hinaus auf die Gasse. Der Mir Alai stand grad vor der Thür und konnte mich unmöglich übersehen.
Wie ich es erwartet hatte, trat der Mir Alai herbei und fragte:
»Sind die Franken alle so furchtsam wie Du? Wo warst Du, als wir Andern kämpften?«
War das eine Frage! Ich
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