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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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todt.«
    Also nach der Meinung dieses guten Mannes war ein Stich nur dann gefährlich, wenn sogleich der Tod erfolgte.
    »Du hast doch den Andern festgehalten?«
    »Wie konnte ich das?« antwortete er verlegen. »Dein Freund hatte kein Geld und zog das Messer zuerst.«
    »Aber Du kennst ihn wenigstens?«
    »Nein. Ich sagte Dir bereits, daß er noch gar nicht bei mir gewesen ist.«
    »Hast Du nach einem Arzt geschickt?«
    »Ja. Ich ließ sogleich einen berühmten Hekim holen, der ihn verbunden hat. Du wirst mir doch bezahlen, was mir der Kranke dafür und für seine Zeche schuldig ist? Ich habe dem Fremden auch das geben müssen, was er von ihm gewonnen hatte.«
    »Ich werde mir das zuvor ein wenig überlegen. Führe mich zu ihm!«
    »Tritt durch die hintere Thüre. Ich habe unten zu thun.«
    Als ich in die bezeichnete Stube trat, welche nichts als eine Art Matratze enthielt, sah ich den Barbier todesbleich und miteingefallenem Gesichte auf derselben liegen. Ich war sogleich überzeugt, daß der Stich gefährlich sei, und beugte mich zu ihm nieder.
    »Ich danke Ihnen, daß Sie kommen!« sagte er langsam und mit Mühe.
    »Dürfen Sie sprechen?« frug ich ihn.
    »Es wird mir nichts mehr schaden! Es ist aus mit mir!«
    »Fassen Sie Muth! Hat Ihnen der Arzt keine Hoffnung gelassen?«
    »Er ist ein Quacksalber.«
    »Ich werde Sie nach Pera bringen lassen. Sind Sie im Besitze eines Schutzscheines vom preußischen Gesandten?«
    »Nein. Ich wollte nicht für einen Franken gelten.«
    »Woher war der Mann, mit dem Sie sich stritten?«
    »Der? Oh, wissen Sie das nicht? Ich soll ihn ja für Sie suchen! Es war Abrahim Mamur!«
    Ich fuhr zurück, als ich diesen Namen hörte.
    »Das ist unmöglich; er ist ja todt!«
    »Todt? Ich wollte, er wäre es!«
    Es war eigenthümlich: jetzt auf dem Kranken- oder Sterbelager redete der Barbier auf einmal nicht mehr seinen märkischen Dialekt, sondern das reinste Hochdeutsch! Das mußte mir natürlich auffallen.
    »Erzählen Sie!« bat ich ihn.
    »Ich war noch spät hier; da kam er, ganz naß, als ob er durch das Wasser geschwommen sei. Ich erkannte ihn sogleich, er mich aber nicht. Ich machte mich an ihn, und wir zechten; dann spielten wir, und ich verlor. Ich war betrunken und mag wohl verrathen haben, daß ich ihn kenne und aushorchen wolle; ich hatte kein Geld, und deßhalb kamen wir in Streit; ich wollte Ihnen einen Gefallen thun und ihn erstechen, er aber war rascher als ich. Das ist Alles!«
    »Ich will Sie nicht tadeln; das führt zu nichts, und Sie sind krank. Haben Sie nicht bemerkt, ob Abrahim Mamur mit dem Wirthe bekannt ist?«
    »Sie schienen sich sehr gut zu kennen; der Wirth gab ihm trockene Kleider, ohne daß er darum gebeten wurde.«
    »Seien Sie aufrichtig! Sie sind nicht aus Jüterbogk?«
    »Sie errathen es. Ich weiß, daß der Stich tödtlich ist, und darum will ich es sagen: ich bin ein Thüringer. Das ist genug; ich habe keine Verwandte und durfte nicht in die Heimat zurück. Lassen Sie das gut sein! Wollen Sie mich wirklich nach Pera schaffen lassen?«
    »Ja. Vorher jedoch will ich Ihnen einen verständigen Arzt senden, der untersuchen soll, ob Sie transportfähig sind. Haben Sie einen Wunsch?«
    »Lassen Sie mir Scherbet geben und vergessen Sie mich nicht!«
    Er hatte mir immer nur mit Mühe und unter vielen Unterbrechungen geantwortet. Jetzt schloß er die Augen; die Besinnung schwand ihm. Ich ging hinunter zum Wirthe, gab ihm die geeigneten Instructionen und versprach ihm, seine berechtigten Auslagen ehrlich zu bezahlen. Dann ritten wir schleunigst nach Pera. Hier begab ich mich zunächst in die preußische Gesandtschaft, deren Kanzler, welcher ein Perote war, meine kurze Darstellung schweigend anhörte und sich sodann in liebenswürdigster Weise bereit erklärte, sich des Verwundeten anzunehmen; auch die Sorge für den Arzt nahm er auf sich und ersuchte mich nur, ihm Omar als Führer da zu lassen. Natürlich fühlte ich mich trotzdem nicht der Theilnahme und Sorge für den Landsmann entbunden, konnte aber ruhig heimkehren, da ich ihn unter guter Obhut wußte.
    Sofort nach meiner Ankunft suchte ich zunächst Isla auf, um ihm zu sagen, daß Abrahim Mamur heute Nacht nicht von Halef erschossen worden sei, sondern noch lebe. Er befand sich in einem mit Büchern und allerhand Waarenproben angefüllten Gemache, welches sein Comptoir zu sein schien. Er war sehr wenig erbaut von meiner Botschaft, beruhigte sich aber bald durch den Gedanken, daß es uns nun doch noch gelingen

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