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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinter dieThür in den Flur zu postiren, sie offen und kühn vor derselben empfangen hatte. Die Schüsse, welche ich gehört hatte, waren auf ihn gerichtet gewesen; ob ihn einer derselben getroffen hatte, konnte ich nicht sehen, aber er stand noch aufrecht da und vertheidigte sich mit seiner langen, umgekehrten Flinte.
    Es ist etwas Eigenes um so einen nächtlichen Nahekampf. Die Sinne schärfen sich auf das Doppelte ihres gewöhnlichen Vermögens; man sieht, was man sonst nicht sehen würde, und ein gewisser Instinkt, nach welchem man in solchen Augenblicken der Gefahr handelt, und zwar augenblicklich handelt, besitzt die Überlegenheit eines wohldurchdachten Entschlusses. Mein Kolben brachte den Hadschi schnell aus der Gefahr; ich sah, daß seine Angreifer unter unsern Schlägen stürzten oder zur Seite flohen; aber ich hatte nur an Eins zu denken:
    »Wen hast Du denn, Halef?« frug ich ihn mitten im Kampfe.
    »Abrahim Mamur!«
    »Ihn? Ah! Wo?«
    »Zu meinen Füßen. Ich habe ihn niedergeschlagen.«
    »Endlich! Bravo!«
    Die wenigen Männer, welche uns noch belästigten, waren bald nach rechts und links aus einander gestoben. Ich bekümmerte mich nicht um sie und bückte mich nieder, um Abrahim Mamur in Augenschein zu nehmen. Es herrschte noch großes Getümmel im Hofe, denn es sprangen noch immer Leute von oben herab, welche vor den Soldaten flohen; ich achtete nicht auf sie, denn Abrahim war mir werthvoller als alle Anderen. Ich zog ein Zündholz hervor, strich es an und leuchtete dem Daliegenden in das Gesicht.
    »O weh, Halef; er ist es nicht!«
    »Nicht, Sihdi? Unmöglich! Ich habe ihn beim Blitz eines Schusses deutlich erkannt!«
    »So ist er entkommen, und Du hast einen Andern niedergestreckt. Wo ist er hin?«
    Ich erhob mich und blickte wieder im Hofe umher. Da sah ich die Flüchtigen über die niederen Planken klettern, welche eine zwischen dem Hause und dem Schuppen befindliche Lücke ausfüllten, die nach dem Hofe Baruch’s führte. Auch Halef hatte dies sofort bemerkt.
    »Ihnen nach, Sihdi!« rief er. »Er ist da hinüber!«
    »Sicher! Aber so bekommen wir ihn nicht. Er muß ja an unserer Vorderthür vorbei. Komm!«
    Ich sprang durch den Flur nach vorn und öffnete die Thür. Es eilten mehrere Gestalten vorüber, welche aus Baruch’s Hause kamen; es waren drei oder vier. Ein Fünfter, der ihnen folgte und uns nicht bemerkte, rief:
    »Halt! Bleibt beisammen!«
    Das war er! Das war seine Stimme, jene Stimme, mit welcher er in jener Fluchtnacht am Nile seine Diener zusammengerufen hatte. Auch Halef erkannte sie und rief unkluger Weise laut:
    »Er ist’s, Sihdi! Ihm nach!«
    Abrahim hörte es und rannte, ohne sich vorher erst umzublicken, davon; wir hasteten hinter ihm her. Er bog, um uns zu entkommen, um mehrere Ecken und tauchte in verschiedene dunkle, winkelige Gäßchen; aber ich war stets höchstens fünfzehn Schritte hinter ihm, und Halef hielt gleichen Schritt mit mir. Der Sprung in den Hof war doch nicht ohne Einfluß auf mich geblieben, sonst hätte ich den Menschen sicher bald erreicht. Er war ein guter Läufer, und meinem Halef wollte der Athem ausgehen.
    »Bleib stehen und schieße ihn nieder, Sihdi!« keuchte er.
    Die Befolgung dieses Zurufes wäre mir ein Leichtes gewesen, aber ich that es nicht. Es hatten Andere ein größeres Recht auf den Menschen als ich, und ich wollte ihn lebendig haben. Die Jagd dauerte also fort. Da öffnete sich die Gasse, durch welche wir jetzt gelaufen waren, und das Wasser des goldenen Hornes lag vor uns. Gar nicht weit vom Ufer erkannte man trotz des nächtlichen Dunkels die Inselreihe, welche zwischen Baharive Keui und Sudludje im Wasser liegt.
    »Rechts, Halef!« rief ich.
    Er gehorchte, und ich sprang links hinüber. So hatten wir den Flüchtling zwischen uns und dem Wasser. Er blieb einen Augenblick stehen, um sich nach uns umzusehen; dann nahm ereinen Anlauf gegen das Ufer und sprang in das Wasser, unter dessen Oberfläche er verschwand.
    »O waïh!« rief Halef. »Aber er soll uns doch nicht entkommen!«
    Er legte seine Flinte an, um zu schießen.
    »Schieß nicht,« rieth ich ihm. »Du zitterst vom Laufen! Ich werde ihm nachspringen.«
    »Sihdi, wenn es diesem Bösewicht gilt, so zittere ich nicht!« war die Antwort.
    Da tauchte der Kopf des Schwimmenden aus der Fluth empor – der Schuß krachte – ein Schrei erscholl, und der Kopf verschwand unter lautem Gurgeln wieder in den Wellen.
    »Ich habe ihn getroffen!« rief der Hadschi. »Er ist todt. Siehst

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