Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Land verlässest!«
Er stand auf und ging hinaus, um jeden weiteren Einwand abzuschneiden; ich war also gezwungen, seine Begleitung anzunehmen.
Meine Reisevorkehrungen bereiteten mir wenig Mühe; ich brauchte mit Halef nur die Pferde zu satteln, so waren wir fertig. Eine Pflicht aber hatte ich vorher zu erfüllen: ich mußte Lindsay aufsuchen, um ihm das Geschehene und unser Vorhaben mitzutheilen. Als ich in seine Wohnung kam, war er soeben von einem Ausfluge nach Bujukdere zurückgekehrt. Er bewillkommnete mich, halb erfreut und halb schmollend, und meinte:
»Welcome! Schlechter Kerl! Zieht da hinauf nach Baharive Keui, ohne mich mitzunehmen! Was wollt Ihr bei mir, he?«
»Sir, ich muß Euch melden, daß ich nicht mehr in Baharive Keui wohne.«
»Nicht mehr? Ah! Schön! Zieht bald her zu mir, Master!«
»Danke! Ich werde morgen früh Constantinopel verlassen. Wollt Ihr mit oder nicht?«
»Verlassen? Ah! Oh! Schlechter Spaß! Yes!«
»Es ist Ernst; das versichere ich Euch!«
»Also wirklich? Warum so schnell? Habt ja dieses Nest kaum erst betreten!«
»Ich kenne es genugsam, und wenn diese Abreise auch schneller kommt, als ich es dachte, so mache ich mir nichts daraus.«
Ich erzählte ihm nun umständlich, was geschehen war.
Als ich mit meinem Bericht zu Ende war, nickte Lindsay befriedigt und meinte:
»Schön! Prächtig, daß dieser Kerl seinen Lohn erhalten hat! Werdet auch noch die beiden Andern bekommen. Well! Möchte gern dabei sein, kann aber nicht; bin engagirt.«
»Wodurch?«
»War auf dem Consulate und habe einen Vetter getroffen, auch ein Lindsay, aber kein David. Er will nach Jerusalem, versteht aber das Reisen nicht und hat mich gebeten, mitzugehen. Schade, daß Ihr nicht auch mitkönnt! Yes! Werde heut Abend Maflei besuchen, um Abschied zu nehmen.«
»Das ist es, was ich von Euch erbitten wollte, Sir. Wir haben im Verlaufe einiger Monate durchgemacht, was Andere während der ganzen Zeit ihres Daseins nicht erleben, und das kettet zusammen. Ich habe Euch sehr lieb gewonnen, und das Scheiden thut mir weh, aber man muß sich in das Unvermeidliche fügen; es bleibt ja doch die Hoffnung auf ein Wiedersehen!«
»Yes! Oh! Ah! Well! Wiedersehen! Miserables Scheiden! Gefällt mir ganz und gar nicht!« meinte er mit unsicherer Stimme, indem er mit der einen Hand seine Nase beruhigte und mit der andern nach dem Auge langte. »Aber da fällt mir ein: Was wird mit dem Pferde?«
»Mit welchem?«
»Mit dem Eurigen – Rih!«
»Was soll da werden? Ich reite es.«
»Hm! Immer? Nehmt Ihr es mit nach Deutschland?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Verkauft es, Sir! Das macht ein schönes Geld. Überlegt es! Wenn Ihr es auch jetzt noch braucht, so bringt es dochwenigstens später nach Old England. Ich handle nicht, sondern bezahle, was Ihr verlangt. Well!«
Dieses Thema war mir nicht sehr angenehm. Was konnte ich als armer Literat mit einem solchen Pferde thun? In der Heimat trat ich ja in Verhältnisse, welche mir durchaus verboten, ein Reitpferd zu halten. Aber verkaufen? Das Geschenk des Scheik der Haddedihn? Und welch’ einen Herrn würde mein wackerer Rappe bekommen! Nein; ich konnte ihn allerdings nicht behalten, aber verkauft wurde er sicherlich auch nicht; ich wußte, was ich zu thun hatte! Ich war dem herrlichen Thiere, welches mich durch so manche Gefahr getragen hatte, schuldig, ihm einen Herrn zu geben, der es zu behandeln verstand. Es sollte nicht im kalten Norden verkommen; es sollte die Weiden des Südens, es sollte sein Geburtsland, die Lagerplätze der Haddedihn wiedersehen.
Da wir uns am Abend treffen wollten, so brauchte ich mich nicht lange bei Lindsay zu verweilen. Ich ging noch einmal nach der Gesandtschaft, wo ich abermals den Kanzler traf. Er erzählte mir, daß der angebliche Barbier aus Jüterbogk uns keine Mühe mehr mache, da er gestorben sei. Man war mit ihm nicht sonderlich rücksichtsvoll verfahren; er hatte gestehen müssen, wer und was er sei, und so hatte man erfahren, daß er aus einer der kleinen Residenzen Thüringen’s stamme und ein entwichener Verbrecher sei. Ich bemitleidete den jungen Mann, der bei seinen ungewöhnlichen Fähigkeiten ganz andere Aussichten gehabt hatte, als so elendiglich in dem fernen Lande um das Leben zu kommen.
Der Kanzler begleitete mich bis an die Thür. Noch standen wir daselbst, einige höfliche Worte wechselnd, als zwei Reiter anuns vorüber kamen. Ich beachtete sie nicht, aber der Eine hielt sein Pferd an und dadurch wurde der
Weitere Kostenlose Bücher