Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Dir zu sein! Wenn ich nicht gewesen wäre, so lebtest Du heut nicht mehr; was ich that, das that ich als Mensch und Christ, und ich fordere dafür keine Belohnung; doch hättest Du das berücksichtigen sollen. Anstatt dessen aber behandeltest Du mich gestern wie einen Deiner Soldaten, und heut schickst Du mir sogar diesen Jüsbaschi zu, welcher es wagt, mir befehlen zu wollen. Du darfst mir nicht zürnen, daß ich dies gerügt habe. Ich bin nicht gewohnt, behandelt zu werden wie ein Mann, der griechische Weinhäuser besucht, um sich ein Vergnügen zu machen; ich denke, daß ich gestern mehr als meine Schuldigkeit gethan habe, und wenn Du bereit bist, mir einen Wunsch zu erfüllen, so mag die ganze Angelegenheit vergessen sein.«
»Sage diesen Wunsch!«
»Deine Rettung hast Du eigentlich einem braven Juden zu verdanken. Er wohnte neben mir und hat mich auf die Öffnung aufmerksam gemacht, durch welche ich Dich aus der Taverne entführte. Du hast diese Spelunke in Brand stecken lassen, und ihm ist durch das Feuer sein ganzes Besitzthum verloren gegangen. Wolltest Du diesem armen Manne eine kleine Entschädigung geben, so würdest Du ihn glücklich machen, und ich würde Dich für einen Mann halten, dem ich ein freundliches Andenken widmen kann.«
»Ein Jude ist er? Weißt Du, Effendi, daß ein Moslem einen Juden verachtet, der eines andern Glaubens ist? Ich werde – –«
»Effendi!« unterbrach ich ihn mit stärkerer und sehr ernster Stimme, »bedenke, daß auch ich kein Moslem bin! Du selbst bist ein Inselgrieche und erst vor kurzer Zeit zur Lehre Muhammed’s übergetreten. Wenn Du den Christen verachtest, so bedauert er Dich dafür, und was mich betrifft, so würde ich niemals das verachten und verleugnen, was ich so lange gewesen bin!«
»Emir, ich meinte ja nicht Dich! Wo befindet sich der Jude?«
»Der Arme genießt die Gastfreundschaft dieses Hauses.«
»Willst Du ihn einmal rufen lassen?«
»Sogleich!«
Ich schickte Halef, und gleich darauf trat Baruch ein. Der Mir Alai maß ihn mit kaltem Auge und frug, nur halb zu ihm gewendet:
»Deine Sachen sind Dir gestern verbrannt?«
»Ja, Herr,« antwortete Baruch demüthig.
»Hier, nimm dafür. Kaufe Dir andere!«
Er griff in seine Börse und reichte ihm etwas dar, was ich nicht erkennen konnte; aber an der Stellung seiner Finger bemerkte ich, daß es nicht sehr viel sein konnte. Der Jude bedankte sich und wollte sich entfernen; ich aber hielt ihn zurück.
»Halt, Baruch Schebet Ben Baruch Chereb. Zeige mir, was Du empfangen hast! Der Effendi wird mir meine Neugierde verzeihen, denn ich will es ja nur sehen, um ihm mit Dir danken zu können;«
Es waren zwei Goldstücke zu fünfzig und zwanzig Piaster, in Summa also siebzig Piaster oder zwölf bis vierzehn Mark nach deutschem Gelde. Das war mehr als sparsam und auch mehr als geizig; das war lumpig. Ich konnte mir denken, daß der Mir Alai gestern, bevor er die Erlaubniß zum Plündern gab, alles im Hause vorgefundene Geld an sich genommen und jedenfalls auch die Taschen der Todten und Gefangenen durchsucht hatte. Zwar war es mir nicht eingefallen, aber ich kannte die Art und Weise dieser Herren zur Genüge.
Deßhalb frug ich ihn jetzt:
»Du hast Deine dreitausend Piaster wieder erlangt, Effendi?«
»Ja.«
»Und diesem Manne, dem Du sie verdankst und das Leben dazu, gibst Du fünfundsiebenzig für sein verbranntes Eigenthum? Schenke ihm tausend, so scheiden wir als gute Freunde, und im ›Bassiret‹ wird Dein Name nicht genannt!«
»Tausend, Emir? Wo denkst Du hin? Er ist ein Jude!«
»Ganz wie Du willst! Baruch, gib ihm die fünfundsiebzig wieder! Wir werden nachher zum Kadi gehen, Du als Kläger und ich als Zeuge. Wer Dir Dein Eigenthum verbrannt hat, der muß es Dir ersetzen, selbst wenn er ein Regiment kommandirt und mein Gast gewesen ist. Ich werde mich durch den Gesandten meines Herrschers beim Divan erkundigen lassen, ob der Sultan seinen Offizieren erlaubt, die Straßen Stambul’s niederzubrennen! «
Ich stand auf und gab das Verabschiedungszeichen, auch die beiden Gäste erhoben sich, und der Jude näherte sich dem Mir Alai, um ihm sein Geld zurückzugeben; dieser aber winkte ihn von sich ab und sagte mit unterdrücktem Grimme:
»Behalte es! Ich werde Dir das Fehlende senden!«
»Thue dies bald, Effendi,« bemerkte ich, »denn in einer Stunde gehen wir zum Richter!«
Das war eine keineswegs angenehme Scene, aber ich mache mir noch heut keine Vorwürfe darüber, daß ich den Weg der
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