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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schwure festhalten werde so lange, bis ich gerächt worden bin!«
    Barud el Amasat wurde eingeschlossen, und der grimmige Osco that es nicht anders, er mußte mit ihm zusammengesteckt werden. Hulam begab sich zu dem Beamten, und wir warteten des Bescheides, den er bringen werde. Als er zurückkehrte, folgten ihm mehrere Khawassen, welche den Gefangenen abzuholen hatten. Er wurde ihnen übergeben, und als sie mit ihm verschwunden waren, konnten wir mit dem Bewußtsein zur Ruhe gehen, unseren Wirth vor Nachtheil bewahrt und einen bösen Menschen unschädlich gemacht zu haben.
    Der Richterspruch eines Kadi läßt nicht lange auf sich warten, und so beschlossen wir, zu bleiben, bis das Urtheil gesprochen werde. Wir hatten nun Zeit, uns Adrianopel anzusehen.
    Wir besuchten die Moschee Selim’s und Murad’s, ebenso eine türkische Medresse; dann durchwanderten wir den berühmten Bazar Ali Pascha’s und machten endlich eine Kahnfahrt auf der Maritza, an welcher die Stadt liegt. Zur Mittagszeit kehrten wir heim und fanden eine Vorladung vor, bei dem Kadi zu erscheinen. Um 9 Uhr türkischer Zeit, was nach unserer Uhr nachmittags 3 Uhr war, erschienen wir vor dem Richter.
    Das Verhör war ein öffentliches, und es hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden. Ein jeder Einzelne von uns mußte seine Aussage thun, und der Gefangene saß dabei, um es zu hören. Als wir Alle gesprochen hatten, fragte der Kadi den Angeklagten:
    »Du hast gehört, was diese Männer sagen. Ist es wahr oder nicht?«
    Der Gefragte antwortete nicht; der Kadi wartete eine Minute und fuhr dann fort:
    »Du kannst also nichts sagen, um die Anklage dieser Männer zurückzuweisen, und bist also alles Dessen schuldig, wessen sie Dich bezüchtigt haben. Da Du ein Glied der Bande bist, welche in Stambul sündigte, so muß ich Dich dorthin schaffen; dort wirst Du auch die Strafe für den Raub des Mädchens erfahren; aber dafür, daß Du es gewagt hast, hier in Edreneh ein Verbrechen begehen zu wollen, werde ich Dir hundert Streiche auf die Füße geben lassen. Das wird sogleich geschehen!«
    Er winkte den Khawassen, welche in seiner Nähe standen, und gebot ihnen: »Holt das Brett und die Stöcke!«
    Zwei von ihnen entfernten sich, um die angegebenen Gegenstände herbeizuschaffen.
    Außer den Beamten und den Parteien war auch ein zahlreiches Publikum anwesend, welches sich eingestellt hatte, um das Schauspiel dieser Verurtheilung zu genießen. In diesem Augenblick machte sich im Publikum eine Bewegung geltend, welche an sich zwar unbedeutend war, einem aufmerksamen Beobachter aber nicht entgehen konnte. Es drängte sich nämlich ein Mann langsam, doch nachhaltig von hinten nach vorn. Mein Blick fiel auf ihn. Er war lang und hager gebaut, hatte sich in die Tracht der gewöhnlichen Bulgaren gekleidet, schien mir aber keiner zu sein. Sein langer Hals, die Habichtsnase, das lange, schmale Gesicht mit dem herabhängenden Schnurrbart, die außerordentlich gewölbte Brust, das Alles ließ in ihm eher einen Armenier als einen Bulgaren vermuthen.
    Weßhalb drängte dieser Mann sich nach vorn? That er es nur aus einfacher Neugierde, oder hatte er vielleicht einen besonderen Zweck? Ich beschloß, ihn genau zu beobachten, es aber nicht merken zu lassen.
    Die Khawassen kamen zurück. Der Eine von ihnen trug einige jener ominösen Stöcke, welche bei der Bastonnade unumgänglich nothwendig sind; der Andere ein Bret, an welchem sich vorn und in der Mitte hänfene Schlingen befanden, um Arme und Leib des Delinquenten fest zu halten. Am hinteren Theile war eine einfache Vorrichtung angebracht, um die Beine des Verurtheilten emporzuhalten, damit die entblößten Fußsohlen in eine horizontale Lage kamen.
    »Zieht ihm das Gewand und die Schuhe aus!« befahl der Kadi.
    Die Khawassen traten zu ihm heran, um den Befehl zu vollführen. Da endlich zeigte er, daß er sprechen könne.
    »Halt!« rief er. »Ich lasse mich nicht schlagen!«
    Die Augenbrauen des Kadi zogen sich zusammen.
    »Nicht?« fragte er. »Wer will es mir verbieten, Dir die Bastonnade geben zu lassen?«
    »Ich!«
    »Hund! Wagst Du, so mit mir zu sprechen! Soll ich Dir zwei Hundert geben lassen, anstatt nur ein Hundert?«
    »Nicht einen einzigen Schlag darfst Du mir geben lassen! Du hast wohl Verschiedenes gesagt und gefragt; aber das Nothwendigste hast Du doch vergessen. Oder hast Du Dich etwa erkundigt, wer und was ich bin?«
    »Das ist nicht nöthig! Du bist ein Mörder, ein Dieb. Das ist genug.«
    »Ich habe

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