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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Montenegriner, wendete sich ärgerlich an mich:
    »Habe ich es nicht gesagt, Effendi, daß es so kommen werde?«
    »Diese Wendung hatte ich nicht erwartet,« antwortete ich. »Ich bin zwar kein Kadi und Mufti, aber ich denke, daß der Richter allerdings nicht anders handeln kann.«
    »Er muß in Stambul anfragen, ob dieser Mensch die Wahrheit gesagt hat oder nicht?«
    »Ja.«
    »Aber wie lange das dauern wird?«
    »Man muß sich darein fügen!«
    »Und wenn er wirklich ein englischer Unterthan ist?«
    »So wird er dennoch seine Strafe erhalten.«
    »Und ist er es nicht?«
    »So hat er den Kadi belogen, und dieser wird das Seinige thun, daß der Richterspruch so streng wie möglich ausfällt. Übrigens glaube ich kein Wort von dieser englischen Unterthanenschaft.«
    »Oh, es ist doch vielleicht möglich. Weßhalb hätte er sich eine solche Lüge aussinnen sollen?«
    »Zunächst, um der Bastonnade zu entgehen, und sodann, um Zeit zu gewinnen. Man muß dem Kadi begreiflich machen, daß er den Gefangenen auf das Strengste bewachen soll. Ich bin überzeugt, daß dieser Alles thun wird, um zu entkommen.«
    »Effendi, willst Du nicht mit dem Kadi sprechen?«
    »Thut Ihr es; mir fehlt die Zeit. Ich habe einen eiligen Weg, von dem ich Euch vielleicht nachher berichten werde. Wir sehen uns dann bei Hulam wieder.«
    Der Fremde, welchen ich für einen Armenier hielt, hatte nämlich jetzt auch den Ort verlassen. Ich wollte irgend Etwas über ihn erfahren, und so ging ich ihm nach. Er schritt langsam und nachdenklich dahin, und ich folgte ihm wohl zehn Minuten lang.
    Da wendete er sich ganz plötzlich und rasch um und erblickte mich. Ich war während der Verhandlung natürlich hervorragend betheiligt gewesen; er hatte mich dort gesehen und beobachtet und erkannte mich sofort wieder. Er ging weiter, bog aber dann in eine sehr enge Nebengasse ein.
    Ich beschloß dennoch, ihn nicht aus den Augen zu lassen, und nahm den Gang und die Haltung eines Mannes an, der nur mit sich selbst beschäftigt ist und keine große Acht auf Andere hat.
    Er mochte das Gäßchen halb durchschritten haben, da drehte er sich zum zweiten Male um. Er mußte mich abermals erblicken, und das fiel ihm sicherlich auf. So ging es durchmehrere Gassen und Gäßchen, er sich zuweilen nach mir umsehend, und ich ihn nicht aus dem Auge lassend. Im Eifer der Verfolgung war es mir schließlich ganz gleich geworden, ob er es bemerkte, daß ich es auf ihn abgesehen hatte. Der Umstand, daß er sich vor mir scheute, bestärkte mich nur in meiner Überzeugung, er könne sich nicht eines guten Gewissens rühmen.
    Das mochte er auch einsehen. Denn als er abermals in eine kleine Gasse eingebogen war und ich dann eine halbe Minute später um die Ecke kam, stand er hinter derselben. Er blickte mich mit flammendem Auge an und fragte:
    »Folgst Du etwa mir?«
    Ich blieb vor ihm stehen, betrachtete ihn genau und antwortete:
    »Was geht Dich mein Weg an?«
    »Sehr viel! Er scheint der meinige zu sein.«
    »Wohl Dir, wenn es so ist; denn der Weg, den ich gehe, ist ein sehr ehrlicher und offener.«
    »Willst Du etwa damit sagen, daß der meinige dies nicht sei?«
    »Ich kenne Deine Wege nicht und habe nichts mit Dir zu schaffen!«
    »Das hoffe ich,« meinte er höhnisch; »darum sollst jetzt Du einmal vorangehen!«
    »Mir gleich,« antwortete ich.
    Ich schritt weiter, ohne mich nach ihm umzusehen; aber mein Ohr war geübt genug, sich von ihm nicht täuschen zu lassen. Ich hörte seine Schritte hinter mir; dann entfernten sie sich. Sie sollten leise sein, aber ich vernahm sie doch.
    Als ich sie nicht mehr hörte, drehte ich mich rasch um und lief zurück. Richtig! Dort eilte er hinab und bog in eine andere Gasse ein. Ich folgte ihm nun, wo er mich nicht sehen konnte, und kam just zur rechten Zeit an die nächste Ecke, um zu sehen, daß er abermals um eine andere Ecke bog.
    Natürlich stand ich einige Augenblicke später an derselben und bemerkte, daß er nach der Tscharschia Ali Pascha’s einlenkte.
    Tscharschia bedeutet Bazar und ist von dem slavonischen Worte tscharschit abzuleiten, welches »bezaubern« bedeutet. Es soll damit auf den Eindruck hingedeutet werden, welchen die Waaren auf den Beschauer machen.
    Der Mann dachte natürlich, daß ich im Gedränge des Bazars seine Spur sicher verlieren würde, wenn ich derselben noch immer folgen sollte. Mir aber war diese Wendung lieb; denn eben dieses Gedränge machte es mir möglich, ganz nahe an ihn heran zu kommen, ohne von ihm bemerkt

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