Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
ich selbst Khawassen nach dem Flüchtlinge aus, und zweitens will ein Polizist essen und trinken.«
»Was er braucht, wird er von mir erhalten.«
»Auch seine Löhnung, seine Tagegelder?«
»Ja. Du wirst sehr wohl thun, meine Bitte zu erfüllen. Wenn wir den Flüchtling nicht fangen, wird es heißen, Du habest ihn mit Absicht entfliehen lassen, um es mit den Engländern nicht zu verderben, unter deren Schutz er angeblich steht.«
Das half. Er fuhr betroffen empor und sagte:
»Effendi, denkst Du das vielleicht?«
»Was ich denke, das ist Nebensache. Du hast ihm die Bastonnade versprochen, und er bekam keinen einzigen Streich; Du hast ihn einschließen lassen, und er ist entkommen. Wir werden beweisen, daß er nicht unter dem Schutze der Inglesi steht, und dann wirst Du Dich zu verantworten haben!«
»Hätte ich ihm die Bastonnade gegeben, und er ist wirklich ein Unterthan der Inglesi, so hätte man eine große Genugthuung von mir gefordert. Ich wäre bestraft worden.«
»Hat er Dir ein Imza oder ein Isbat rajanün vorgezeigt?«
»Nein.«
»War er hiesiger Einwohner?«
»Du weißt ja selbst, daß er in Edreneh fremd ist!«
»Also mußte er sich legitimiren. Er konnte es nicht; er befindet sich im Lande des Großherrn und mußte also nach großherrlichem Gesetze behandelt werden. Erhielt er da die Bastonnade, trotzdem er unter dem Schilde des Gesandten der Engländer steht, so war es ganz nur seine Schuld, da er keinen Paß bei sich hatte. Du siehst also, welche Absicht man Dir unterschieben kann. Es liegt sehr in Deinem eigenen, persönlichen Interesse, daß er wieder ergriffen wird, und dazu ist die beste Aussicht, wenn Du mir einige Khawassen mit dem Tutemr gibst.«
Ich sah es ihm an, daß er unruhig geworden war. Vielleicht, ja höchst wahrscheinlich, hatte noch kein Christ gewagt, eine solche Sprache ihm gegenüber zu führen. Aber grad, daß ich mich nicht furchtsam zeigte, das schien mehr zu wirken, als der ganze Aufwand von Worten, den ich machte, um meinen Zweck zu erreichen. Zwar bemerkte er:
»Effendi, Du redest in ganz anderer Weise, als ich gewohnt bin, anzuhören!«
Aber als ich dann mit einer wegwerfenden Handbewegung antwortete:
»So hast Du noch nicht mit einem Manne gesprochen, welcher des allerhöchsten Schutzes sicher ist und sich Gerechtigkeit zu verschaffen weiß!«
Da lenkte er ein, indem er nachdenklich meinte:
»So werde ich mit dem Mollah sprechen!«
»Mit dem Mollah? Gut! Sprich mit ihm! Bis dahin wird der Verbrecher einen solchen Vorsprung haben, daß man ihn nicht erreichen kann. Ich werde mich dann an den Arz Odassi wenden, um zu erfahren, wer Barud el Amasat zu suchen hat.«
»Effendi, bist Du mit den Oberrichtern bekannt?«
»Frage sie selbst, so wie Du jetzt den Mollah fragen willst!«
»Du führst wirklich eine hohe Sprache. Aber das gefällt mir. Ich liebe die Männer, welche furchtlos sind, und darum will ich Dir Deine Bitte erfüllen!«
»Und ich liebe die Männer, welche schnell entschlossen handeln. Wann wirst Du das Tutemr ausfertigen?«
»Wann brauchst Du es?«
»ich werde mit Tages Anbruch aufbrechen.«
»So sollen um diese Zeit drei Khawassen zu Pferde vor der Wohnung Hulam’s halten und das Tutemr bei sich haben.«
»ich danke Dir! Schreibe ihnen zugleich auf, was sie an Geld und Verpflegung von mir zu fordern haben, damit ich nicht zu viel gebe oder sie zu wenig fordern.«
Er fühlte die Ironie, welche in diesen Worten lag, und antwortete unter einem Lächeln, welches mir einigermaßen verlegen erschien:
»Glaubst Du, daß sie Dich übervortheilen werden?«
»Nein. Ich bin ein Saksonjali, und es gibt keinen solchen, der sich jemals von einem Osmanli hat täuschen oder übervortheilen lassen; dessen versichere ich Dich!«
»Ein Saksonjali? Liegt Saksonja in Nemtschistan oder in Prusistan oder in Ljubljana?«
»Saksonja ist ein Kyralik. Du kennst es nicht?«
»Nein.«
»So hast Du, als Du die Medresse besuchtest, sehr unwissende Professoren und Lehrer gehabt!«
»Vielleicht sind sie niemals dort gewesen!«
»Wo Saksonja liegt, das muß in jedem Kitab öjretmekün zu lesen sein, und man erfährt es also, ohne eine Reise dorthin machen zu müssen. Es liegt am Balkan madenün zwischen dem Derja iladschün und der Doniza buzenün. Man trinkt dort den berühmten Kaffee, der Kahwe tschitschetschykün heißt, und dort liegt auch die große Stadt Böjük-Lypsa, wo Euere Händler ihre Waaren kaufen, die nicht in Stambul zu finden sind, und wo der
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