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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lag, welches sich am breiten Hinterteile des Fahrzeuges befand. Durch diese Fensterluke wurde soeben, als ich vorsichtig von oben herablugte, ein kleiner, aber nicht leichter Gegenstand an einem Seile herabgelassen, dessen Reibung an dem Lukenrande jenen Ton hervorbrachte, den man allerdings nur dann wahrnehmen konnte, wenn man das Ohr hart auf die Bretter des Verdeckes legte. Unten in dem Boote befanden sich drei Männer, welche den Gegenstand in Empfang nahmen und dann warteten, bis das Seil wieder emporgezogen und ein zweites Paket herabgelassen wurde.
    Die Sache war mir natürlich sofort klar. Was in dem Boote aufgestaut wurde, war das Geld des Wergi-Baschi, d. h. der Ertrag der Steuer, welche er eingesammelt hatte, und – – – ich hatte keine Zeit, weiter zu vermuten.
    »Alargha, iz chijanisch – aufgeschaut, wir sind verraten!« rief eine tiefe Stimme vom hohen Ufer her, wo man das Verdeck überblicken konnte; zu gleicher Zeit krachte ein Schuß, und eine Kugel bohrte sich hart neben mir in die Planke. Ein zweiter Schuß blitzte drüben auf, ein dritter; die Kugeln flogen glücklicherweise an mir vorüber, und ich durfte mich ihnen nicht länger aussetzen. Ich sah nur noch, daß das Tau unten gekappt und das Boot fortgerudert wurde; dann sprang ich vom Verschlage gleich auf das Deck hinab.
    In demselben Augenblick öffnete sich die Thüre der Kajüte, und ich bemerkte zweierlei, nämlich daß an der hinteren Seite derselben zwei Bretter entfernt und daß durch diese Lücke eine Anzahl Männer unbemerkt vom Wasser aus eingestiegen waren. Die Frauen sah ich nicht, aber neun Männer stürzten sofort auf mich los.
    »Halef, herbei!« rief ich laut.
    Ich hatte gar keine Zeit gehabt, eine Waffe zu ziehen. Drei hatten mich um den Leib gefaßt und sorgten dafür, daß ich nicht in den Gürtel langen konnte. Drei sprangen Halef entgegen, und die andern gaben sich Mühe, die Fäuste zu erhaschen, mit denen ich mich verteidigte. Draußen am Lande krachten Schüsse, und ertönten Flüche und Hilferufe, und dazwischen hörte man die Kommandos jener tiefen Baßstimme, welche ich vorhin wieder erkannt hatte: – es war die Stimme des Derwischs.
    »Es ist der Nemtsche. Tötet ihn nicht, sondern fangt ihn!« gebot einer von denen, welche mich umfaßt hielten.
    Ich suchte mich loszureißen: es ging nicht. Sechs gegen einen! Da krachte ein Pistolenschuß nicht weit von mir.
    »Zu Hilfe, Sihdi; ich bin verwundet!« rief Halef.
    Ich machte einen gewaltigen Ruck und riß meine Dränger einige Schritte mit mir fort.
    »Betäubt ihn!« erscholl eine keuchende Stimme.
    Ich wurde wieder fester gepackt und erhielt trotz meiner verzweifelten Gegenwehr einige Schläge über den Kopf, die mich niederstreckten. Es toste mir in den Ohren wie eine wilde Brandung. Mitten durch den Donner derselben hörte ich Gewehre knallen und Stimmen schallen; dann war es mir, als würde ich an Händen und Füßen zusammengeschnürt und fortgeschleift, und endlich empfand ich gar nichts mehr.
    Als ich erwachte, fühlte ich einen wüsten, pochenden Schmerz in meinem Hinterkopfe, und es dauerte eine geraume Zeit, bis es mir gelang, mich auf das Vorgefallene zu besinnen. Um mich her war es völlig dunkel, aber ein laut vernehmliches Sogließ mich vermuten, daß ich mich in dem Kielraume eines Fahrzeuges befände, welches in schneller Fahrt begriffen war. Die Hände und die Beine waren mir so fest gebunden, daß ich kein Glied rühren konnte. Zwar schnitten mir die Fesseln nicht in das Fleisch, denn sie bestanden nicht aus Stricken oder Riemen, sondern aus Tüchern; aber sie verhinderten mich, die Schiffsratten von mir abzuwehren, welche meine Person einer sehr genauen Untersuchung unterwarfen.
    Das Geräusch, welches das Wasser am Kiele eines fahrenden Schiffes verursacht.
    Es verging eine lange, lange Zeit, ohne daß sich in meiner Lage etwas änderte. Endlich hörte ich das Geräusch von Schritten, konnte aber nichts sehen. Meine Fesseln wurden gelöst, und eine Stimme gebot mir:
    »Stehe auf und geh’ mit uns!«
    Ich erhob mich. Sie führten mich aus dem Kielraum durch ein halbdunkles Zwischendeck nach oben. Unterwegs untersuchte ich meine Kleider und fand ebenso zu meiner Überraschung wie Beruhigung, daß man mir außer den Waffen nicht das mindeste abgenommen hatte.
    Als ich das Verdeck betrat, bemerkte ich, daß ich mich auf einer kleinen, sehr scharf auf den Kiel gebauten Barke befand, welche zwei dreieckige und ein trapezisches Segel hatte.

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