Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
verschaffen; zu meinem Erstaunen aber ging er bei meinem Zirkelhiebe ganz prachtvoll unter meiner Klinge durch. Er traversierte und gab eine Finte; sie gelang ihm nicht. Nun traversierte ich ebenso und schlug Espadon; mein Hieb kam zum Sitzen, obgleich es meine Absicht nicht war, ihn sehr zu verletzen. Voll Wut darüber vergaß er sich, trat zurück und gab im Sprunge abermals Winkelquart; ich trat einen halben Schritt vor, setzte mit harter Festigkeit in die Linie ein, und – die Waffe flog ihm aus der Hand und über Bord in das Wasser.
Ein Schrei erscholl ringsumher. Ich aber trat zurück und senkte die Waffe.
Er stand vor mir und starrte mich an.
»Abu Seïf, du bist ein sehr geschickter Fechter!«
Diese meine Worte brachten ihn wieder zu sich; aber ich sah gegen meine Erwartung nicht das Zeichen des Grimmes, sondern nur der Überraschung in seinem Angesicht.
»Mensch, du bist ein Ungläubiger und hast doch Abu Seïf besiegt!« rief er aus.
»Du hast es mir leicht gemacht, denn dein Fechten ist kein edles und überlegtes. Mein zweiter Hieb kostete dich Blut, und mein dritter nahm dir die Waffe; ja, ich bin gar nicht zum dritten Hieb gekommen, während dein dritter mich töten sollte. Hier hast du den Säbel; ich bin in deiner Hand.«
Diese – freilich gewagte – Appellation an seinen Edelmut hatte einen guten Erfolg.
»Ja, du bist in meiner Gewalt, du bist mein Gefangener; aber du hast dein Schicksal in deiner eigenen Hand.«
»Inwiefern?«
»Wenn du thust, was ich von dir verlange, so wirst du bald wieder frei sein.«
»Was soll ich thun?«
»Du wirst mit mir fechten?«
»Ja.«
»Und es mich so lehren, wie es bei den Nemsi gelehrt wird?«
»Ja.«
»Du wirst dich, so lange du auf meinem Schiffe bist, von keinem fremden Auge sehen lassen?«
»Gut!«
»Und das Deck auf meinen Befehl sofort verlassen, wenn ein anderes Fahrzeug in Sicht kommt?«
»Ja.«
»Du wirst mit deinem Diener kein Wort sprechen.«
»Wo ist er?«
»Hier auf dem Schiffe.«
»Gebunden?«
»Nein, er ist krank.«
»Er hat eine Wunde?«
»Er ist am Arm verwundet und hat ein Bein gebrochen, daß er sich nicht erheben kann.«
»So kann ich dir das verlangte Versprechen nicht geben. Mein Diener ist mein Freund, den ich pflegen muß; du wirst mir dies erlauben!«
»Ich erlaube es nicht; aber ich verspreche dir, daß er gut verpflegt wird.«
»Das genügt mir nicht. Wenn er das Bein gebrochen hat, so muß ich es ihm einrichten. Es ist wohl hier keiner, welcher das versteht.«
»Ich selbst verstehe es. Ich bin so gut wie ein Dscherrah; ich habe ihm seine Wunde verbunden und auch sein Bein geschient. Er hat keine Schmerzen mehr und ist mit mir zufrieden.«
Wundarzt.
»Ich muß dies aus seinem Munde erfahren.«
»Ich beteure es dir bei Allah und dem Propheten! Willst du mir nicht versprechen, nicht mit ihm zu reden, so werde ich dafür sorgen, daß du ihn nicht zu sehen bekommst. Aber ich habe noch mehr von dir zu verlangen.«
»Fordere!«
»Du bist ein Christ und wirst dich hüten, einen der Meinen zu verunreinigen?«
»Gut.«
»Du hast Freunde unter den Inglis?«
»Ja.«
»Sind es große Leute?«
»Es sind Paschas unter ihnen.«
»So werden sie dich auslösen?«
Das war ja etwas ganz Neues! Also er wollte mich nicht töten, sondern sich meine Freiheit bezahlen lassen.
»Wie viel verlangst du?«
»Du hast nur wenig Gold und Silber bei dir; du kannst dich nicht selbst loskaufen.«
Also er hatte meine Taschen doch untersucht. Was ich in den Ärmeln meiner türkischen Jacke eingenäht hatte, war von ihm nicht gefunden worden. Es wäre allerdings zum Lösegelde auch zu wenig gewesen. Daher antwortete ich:
»Ich habe nichts; ich bin nicht reich.«
»Ich glaube es, obgleich deine Waffen ausgezeichnet sind und du Instrumente bei dir führst, welche ich gar nicht kenne. Aber du bist vornehm.«
»Ah!«
»Und berühmt.«
»Ah!«
»Du hast es diesem hier auf dem Sambuk gesagt.«
»Ich habe Spaß gemacht.«
»Nein, du hast im Ernst gesprochen. Wer so stark ist und den Säbel so zu führen weiß, wie du, der kann nichts anderes sein, als ein großer Zabit, für den sein Padischah gern ein gutes Lösegeld geben wird.«
Offizier.
»Mein König wird meine Freiheit nicht mit Geld bezahlen; er wird sie umsonst von dir fordern.«
»Ich kenne keinen König der Nemsi; wie also will er mit mir reden und mich zwingen, dich frei zu lassen?«
»Er wird es durch seinen Eltschithun.«
Gesandten.
»Auch diesen kenne ich
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