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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kräftiger ertönen die von ihnen ausgestoßenen Laute. Ist die Luftröhre weich, so ist die Stimme matt und dumpf, besteht die Röhre dagegen aus einer Reihe von knorpeligen Ringen, so wird der Ton ein weit mächtigerer, schärferer und schneidenderer sein.
    Wie in der Welt der Thiere überhaupt, so zeigt sich auch in den Stimmen derselben die reichste Abwechslung. Jedes Thier hat seine eigenthümliche Stimme, an der es sofort erkenntlich ist, und nur wenigen Vogelarten ist es gegeben, auch fremde Laute nachzuahmen.
    Im Sumpfrohre, wo Gazellen und Giraffen trinken, liegt der Löwe und schläft am Tage, bis ihn die nahende Dämmerung weckt. Da richtet er sich auf, reckt die mächtigen Glieder und läßt jenes Gebrüll erschallen, welches die Berge zittern und die Heerden heulen macht. Erst seufzend, dann dumpf röchelnd, schwillt dieser furchtbare Laut, dem kein anderer im weiten Reiche der Töne zu vergleichen ist, in langgezogenen Stößen an, bis er zuletzt mit gewaltigem Donner die Luft erfüllt. »Rad«, d.i. »Donner« nennt daher der Araber den Machtruf des Thierkönigs, dessen Wirkung der Dichter beschreibt:
     
    »Da liegt der Maure unter Palmen,
    Vom Sonnenbrand herbei geführt;
    Das Dromedar nascht von den Halmen,
    Die noch der Samum nicht berührt.
    Da trinkt das Gnu sich an der Quelle,
    Der lebensfrischen, voll und satt,
    Da naht verschmachtend die Gazelle,
    Vom wilden Jagen todesmatt.
    Da geht der Löwe nach der Beute,
    Der König, kampfesmuthig aus,
    Und in die unbegrenzte Weite
    Brüllt er den Herrscherruf hinaus.
    Und Mensch und Thier, Gnu und Gazelle,
    Sie zittern vor dem wilden Ton
    Und jagen mit Gedankenschnelle
    Entsetzt, von Furcht gepackt, davon.«
     
    Das Brummen des Bären durchschauert die Wildniß, die durchdringende Trompetenstimme des Elephanten läßt den Tiger erbeben; das Geheul der Wölfe verbreitet Schrecken über die Steppe und das muthige Wiehern des Schlachtrosses übertönt selbst die dumpfen Schläge der Kanonen, aber all’ diese Stimmen können sich nicht messen mit den Lauten, welche der Löwe ausstößt, wenn er seine ebenholzschwarzen Krallen an Fels und Bäumen wetzt, um sich aus dem nächsten Duar (Dorf) den fälligen Tribut zu holen.
    Von diesem entsetzlichen Löwendonner durchläuft die Ausdrucksfähigkeit der Thierstimme alle Grade bis zu der wundervollen Lieblichkeit, mit welcher der Gesang der Nachtigall, des orientalischen Bulbul oder des südamerikanischen Bellbird ertönt. Die vollendetsten Stimmwerkzeuge finden sich in den schönen und zahlreichen Classen der gefiederten Thierwelt, und es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die Stimme zu der Größe, dem Baue, der Lebensweise und dem Character ihres Trägers in innigster Beziehung steht und als eins der hervorragendsten Merkmale betrachtet werden muß. Das Brüllen des Löwen, das Grunzen des Ochsen, das dumpfe »Ommu, ommu« der Hyäne, das scharfheulende »i–a–u, i–a–u« des Schakals, das Blöken des Schafes, das Miauen und Fauchen der Katze, der wilde, durchdringende Schrei des Raubvogels, das Girren, Trommeln und Lachen der Taube, das Schluchzen der Truthühner, das Schleifen des Auerhahnes, das Glucken und Krähen der Haushühner, aus all’ diesen verschiedenen Stimmen läßt sich ganz genau auf den Character des betreffenden Thieres schließen, denn die Lüge hat sich leider wohl der menschlichen Rede, nicht aber der Sprache des Thieres bemächtigen können; die Stimme der Natur redet Wahrheit und führet niemals irre.
    Die große Verschiedenheit zwischen den Vierfüßlern und Vögeln ist auch in ihren Stimmwerkzeugen ausgeprägt, und dieser Unterschied wird von der Classe auf die Ordnung, von dieser auf die Familie und von da sogar auf das einzelne Individuum fortgeführt. Die im Wasser lebenden Vögel schnattern und klappern, die von Insecten lebenden haben einen süßen, angenehmen, silberhellen Ton, die von Beeren und Früchten lebenden trillern und die körnerfressenden haben einen vollklingenden, stoßenden Gesang; aber all’ diese Eigenthümlichkeiten zusammen ergeben ein vollständig harmonisches Concert, und die zärtlichen, süßklagenden Laute der Nachtigall, der freundliche Schlag der Wachtel, das Jubiliren der Lerche, der fröhliche Ruf des Finken, das kunstvolle Lied der Drossel, das Girren der Taube, der schmetternde, wechselvolle Triller   des Kanarienvogels, das Flöten des Pirols und die frischen Strophen des Wasserstaares bilden ebenso ein untrennbares Ganze wie die

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