Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
größere Thiergattungen, kleinere Festländer und namentlich Inseln auch kleiner gestaltete Thiere. So finden sich die Riesen der jetzigen Thierwelt, der Elephant, das Nashorn, das Nilpferd, die Giraffe, der Löwe und Tiger in Asien und Afrika, den breiten, massigen Erdtheilen, während das schmälere Amerika nur den Tapir, das Ljama und einige Rinderarten besitzt, und auf Neuholland das größte Säugethier, das Känguruh, nur in seinen stärksten Exemplaren 140 Pfund schwer wird. Der Tapir ist ein Kälbchen gegen den Elephanten und der Jaguar der neuen Welt nur eine Katze gegen den Löwen der alten Welt.
Auch die Eigenschaften desjenigen Elementes, in welchem das Thier lebt, trägt es an sich. Das Landthier zeigt ein festes Knochengerüste und eine schwere Muskulatur, ganz so, wie sich die Ländermuskeln um das Felsenskelett der Erde legen; das Luftthier ist leicht und voll lebendiger Beweglichkeit, wie die Gashülle, welche uns umgiebt, und dem Bewohner des Wassers ist die schlüpfrige Weichheit und Kälte der feuchten Flüssigkeit eigen.
Dem unbeweglichen, irdischen Stoffe am nächsten verwandt, ist die Koralle für immer an den Boden gebannt; freier schon sind die Muscheln und Schnecken, haben aber für die ganze Zeit ihres Lebens die anerkannt fürchterlichen Lasten eines Hausbesitzers zu tragen; der Krebs wird von seiner »Erdenhülle« so beengt, daß er gezwungen ist, von Zeit zu Zeit buchstäblich aus der Haut zu fahren; der Wurm wird von der festen Materie nicht belästigt, aber »der Schmutz ist seine Welt,« in der er sich bohrend windet; das Reptil hat die Erlaubniß, »den Sonnenstrahl zu speisen,« doch wird es nie befreit von dem Fluche, »Erde zu essen sein Leben lang,« und ob das Landthier einer noch so hohen Classe oder Ordnung angehöre, die Erde hält es fest, hemmt seine Bewegungen und beeinflußt seinen Character, der ein vorwiegend phlegmatischer ist.
Größere Freiheit und Schnelligkeit ist den Bewegungen der Wasserthiere, besonders den Bewohnern der Seen und des Meeres gestattet. Ohne Wärme, wie die Feuchtigkeit, in welcher sie leben, ist das Blut in den Adern der meisten von ihnen kalt; stumm sind sie, wie ihr Element, und giebt sich ihr Dasein dem Ohre zu erkennen, so geschieht es durch dasselbe Plätschern, dasselbe Rauschen, welches das Wanderlied des Baches und die Ode der Meereswogen bildet. Jener Zauber, welchen die geheimnisvolle Tiefe auf das menschliche Gemüth ausübt, theilt sich auch ihren Bewohnern mit, deren Leben wie ein anziehendes und doch ungelöstes Räthsel sich der Betrachtung verbirgt. Wundersam, ungreifbar und gefährlich, wie die Tiefe, über welche »keine Balken« führen, sind auch die Wesen, welche in ihr leben:
» … Von Salamandern, Molchen und Drachen
Regt sich’s in dem furchtbaren Höllenrachen.
Schwarz wimmeln da, in grausem Gemisch,
Zu scheußlichen Klumpen geballt,
Der stachlichte Rache, der Klippenfisch,
Des Hammers gräuliche Ungestalt,
Und dräuend weist die grimmigen Zähne
Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.«
Fröhlich und munter, behend und gewandt, anziehend und freundlich regt sich dagegen das thierische Leben in der Luft, durch deren leicht bewegliche und anschmiegende Fluth der helle Strahl der Sonne flimmert. Das schaukelt und gaukelt, das schwirrt und flirrt, das brummt und summt, das lächelt und fächelt, das ist ein Singen und Klingen, ein Hüpfen und Schlüpfen, ein Necken und Verstecken, ein Lauschen und Rauschen hoch oben, tief unten, bald hier, bald dort, allüberall, wohin sich nur das fleißige Auge wendet, um die Lieblinge des Naturfreundes zu entdecken und ihren blitzesschnellen, zierlichen oder majestätischen Bewegungen zu folgen.
Leise, wie das Säuseln des Zephyrs, klingen die süßen, abgerissenen Laute des träumenden Rothkehlchens; scharf und heiser, wie der Windstoß durch die Felsenenge pfeift, dringt der Schrei des Adlers über die Steinschluchten dahin; schrill und ängstlich, wie die Stimmen der den Sturm verkündenden Luftstöße tönt der warnende Ruf der Möven, die in wirbelndem Fluge das Riff umkreisen; in ruhig klarer Bewegung, wie der Strom des hohen Aethers, passiren die scheidenden Zugvögel in dicht geschlossenen Phalanxen oder gabelförmigen Schwadronen den lichten Horizont; in wellenförmigen Intervallen oder spielendem Wiegen, in kühnen Exercitien oder in souverainer Würde badet der Tagvogel seine Brust in der goldenen Luft, während Käuzchen und Uhu, die Katzen der
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