Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Riesenkröte giebt mit tiefem Brummen den Grundbaß zu diesem Katzenjammer mit solcher Genauigkeit an, als hätte sie Contrapunkt studirt.
Auch die Thiere sind auf einander angewiesen; auch bei ihnen gewährt die Bildung von Gesellschaften entweder den besten Schutz gegen störende und vernichtende Natureinflüsse oder eine nothwendige Voraussetzung der Lösung derjenigen Aufgabe, welche ihnen im großen Haushalte der Natur zuertheilt worden ist. Diese Gesellschaften sind kleinere oder größere, je nach der Verschiedenheit der Triebe, von denen sie hervorgerufen wurden, und der äußeren Verhältnisse, unter denen sie sich entwickelten. Auch ihre Dauer ist dem Wechsel unterworfen und ihre Art und Weise eine so unendlich mannigfaltige, daß sie dem Beobachter ein reiches Feld der interessantesten Beobachtungen bietet.
Unter den gesellschaftlichen Trieben stehen der Fortpflanzungs- und der Wandertrieb oben an. Der erstere führt die einzelnen Individuen einander zu und binden sie entweder für eine nur kurze, oft aber auch für eine längere Dauer, zuweilen sogar für die ganze Lebenszeit. Während die Geschlechter gewisser Thierarten sich nur zu ganz bestimmten Zeiten suchen und einander dann fliehen oder wohl gar feindlich gegenüber stehen, beobachten wir bei anderen wieder eine ausdauernde und rührende Anhänglichkeit, wel che nur durch den Tod oder andere gewaltsame Ereignisse aufgelöst werden kann. Man denke z.B. an die Tauben, bei denen Männchen und Weibchen mit einer Treue zusammenhalten, welche ihren Paarungen den Namen »Ehen« gegeben hat, oder an gewisse Stelzfüßler (Storch etc.), bei denen die eheliche Untreue nach einer vorher erfolgten förmlichen Gerichtsverhandlung sogar mit dem Tode bestraft wird, wie man wiederholt beobachtet hat.
Während die meisten Thiere in Monogamie leben, ziehen andere die von unseren Gesetzgebern angefochtene Vielweiberei vor und liefern uns Beispiele einer Haremswirthschaft, wie sie bei den Völkern des Orientes nicht ausgebildeter gefunden werden kann. Da lebt der »Herr des Hofes,« der »hellkrähende,« mit seinen Favoritinnen in einer ewigen Flitterwochenzeit und gebietet als unumschränkter Sultan oder Schah – hin – Schah über das Wohl und Wehe seiner scharrenden, kratzenden, gluchsenden und gackernden Zuleiken und Fatimen. Besonders hegt die Ordnung der Hühner, Schwimm- und Wasservögel mit allen ihr Zugehörigen eine sehr ausgeprägte Sympathie für diese türkischen Zustände, denen der eieressende Mensch die Reichlichkeit eines seiner liebsten und nahrhaftesten Genußmittel verdankt.
Der Wandertrieb greift weiter und vereinigt die Individuen und Ehen zu Horden, welche als fliegende Geschwader, galoppierende Kosakenpulke oder wandernde Zigeunerschaaren entweder der besseren Weide oder einer reichlicheren Tränke, meist aber der Wärme nachgehen, welche ihnen die südlicher gelegenen Länderstriche gewähren. Er liegt ebenso tief in der Natur wie der Geschlechtstrieb und macht sich mit einer Regelmäßigkeit geltend, daß man für gewisse Gegenden unter Berücksichtigung der jeweiligen Witterungsverhältnisse den Aufbruch der »wandernden Gesellen« fast auf den Tag berechnen und vorherbestimmen kann.
Obgleich sich besonders die Vögel, welche man nach der Verschiedenheit der Richtung und des Zieles ihrer Excursionen in Zug- und Strichvögel eintheilt, durch diesen Trieb auszeichnen, finden wir ihn doch auch bei den anderen Classen, von den Säugethieren bis herunter zu den niedrigsten Organismen thätig, und besonders fallen hier diejenigen Wanderungen in das Auge, welche die größeren Vierfüßler vornehmen.
Der nordamerikanische Büffel unternimmt zur Herbst- und Frühjahrszeit Wanderungen, welche Hunderte von Meilen weit gehen und bewegt sich dabei in solchen Massen, daß die Erde unter den stampfenden Tritten der dahinstürmenden Herden, welche nach Tausenden zählen, erzittert. Auch der Mustang, das wilde Pferd der Prairie, wechselt seine Weideplätze und jagt unter donnerndem Hufschlage mit fliegender Mähne und wehendem Schweife zwischen dem Norden und dem Süden in jährlichen Pausen hin und zurück. »Stampedo« nennen die spanisch-sprechenden Amerikaner das dadurch verursachte Getöse, welches, von weitem gehört, dem Rollen des fernen Donners und in größerer Nähe dem Tosen eines schweren Wasserfalles gleicht. Die tolle Truppe rast in stürzender Eile dahin, zerstampft Alles und Jedes, was unter ihre Hufe kommt, und verliert sich, wie
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