Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Lüfte, mit gespenstischem Flügelschlage durch die Schatten des nächtlichen Dunkels schwimmen, um dem Aberglauben Stoff zu tausend furchterweckenden Mährchen zu geben.
Aber wie die Nacht, die dunkelgewandige, sich bei unbedecktem Himmel mit Millionen von Sternen schmückt, so entfaltet auch, wenn die Sonne ihre Purpurgluth im Meere gelöscht, das Thierreich sein phosphorisches Leuchten, um dem Strahle zu antworten, welcher den Gruß des Firmamentes zur Erde bringt. Die Tiefe des Meeres flammt in magischem, geheimnißvollem Lichte, in welchem sich die gefräßige Tintorera, der pfeilschnelle Hummer, die kugelnde Qualle und die vielarmigen Stelleriden baden; am Buge des Schiffes springt die schäumende Spiegelung mit demantischem Flimmer empor, und hinter dem Steuer öffnet sich eine breite, hellflammende Furche; die Schaar der Delphinen wälzt sich in siedendem Golde; wie flüssigem Metalle entschlüpft, werfen sich fliegende Fische in die Luft, und um jeden Felsen, um jede Klippe, an jedem Orte der Küste kocht, wallt und spritzt es wie zerflossene Sternenmasse.
Und wie im feuchten, so auch im luftförmigen und auf dem festen Elemente. Im tiefen Dunkel des tropischen Urwaldes entzünden zahllose Insecten ihre Leuchten und erfüllen Luft, Gebüsch und Erde mit zauberischem Glanze. In gradlinigem Fluge trägt der Elater zwei Punkte beständigem Lichtes auf dem Brustschilde; die Lampyris wiegt sich mit ab- und zunehmendem Schimmer des Unterleibes in unsicheren Linien zwischen den Zweigen, während die große Fulgura den blasenartigen Kopf in eine Laterne verwandelt, so hell, daß man dabei lesen könnte. Daher nennt man dieses cicadenartige Insect auch »Laternenträger.« Zahllose andere Feuerträger gesellen sich zu ihnen, und als sei man in einen Mährchenforst versetzt, so zucken die lebenden Funken und Blitze in der Nähe und Ferne, in Höhen und Tiefen und schlingen ihre glänzenden Arabesken durch die Nacht. Und dazu flackert das Irrlicht über dem Sumpfe, und dem Gewirre der vom Alter oder Sturme niedergerissenen oder todt und faulend in den Lianen hängenden Stämme entströmt ein nebelnder Schein, welcher die barocken Gestalten der Pflanzenreste in den abenteuerlichsten Contouren erscheinen läßt. Der bescheidene Schimmer, welchen wir an unserm Johanneswürmchen bemerken, ist nicht im Stande, uns ein Bild jenes »nächtlichen Feuerwerkes im Urwalde« zu geben.
Und dieses an Gestaltungen und Wundern so reiche Thierleben wurde von der Vorsehung mit einem Geschenke begnadigt, welches zu den köstlichsten Gaben der irdischen Natur gehört – mit einer Stimme.
Die Thätigkeit des Auges hat es mit den äußeren Gestaltungen zu thun und ist fast ausschließlich auf die Erkenntniß nur der körperlichen Eigenschaften eines Wesens gerichtet; das Ohr aber dient einer höheren Aufgabe, indem es die Wirkung eines inneren, eines seelischen Lebens in sich aufnimmt und an die geistige Erkenntniß weiter befördert. Das Auge giebt dem menschlichen Gemüthe weniger Nahrung als das Gehör, erst durch dieses Letztere wird der Mensch mitfühlendes Wesen aller anderen mit Empfindung begabten Geschöpfe. Auch die angenehmste, die schönste Landschaft ist leblos, wenn sie nicht durch das Erbrausen des hohen Waldes, das freundliche Murmeln der Quelle, das lustige Plätschern des Baches, das rollende Getöse des Stromes, das Summen der Käfer und Bienen, den Gesang der Vögel und die verschiedenen Töne der vierfüßigen Thiere eine Seele erhält, welche sich dem lauschenden Ohre zu erkennen giebt. Wie uns das Schweigen des Todes mit Schauder erfüllt, so erfreut die Stimme der Natur das menschliche Herz. Sie erweckt uns zu großen Gedanken und Empfindungen und beschäftigt uns mit dem Gedanken von der allgemeinen Verbindung der erschaffenen Wesen. Alles wird zum Psalm des Geschöpfes auf seinen Schöpfer. Wer hat dieses Loblied von tausend und abertausend abwechselnden Tönen, wiederholt vom Echo der Felsen und Wälder nicht schon vernommen? Wen ließ es ungerührt, der für zartere Empfindungen noch ein Herz im Busen trug? Wer hätte nicht oft selig in das Freudengetümmel der Schöpfung hineinjauchzen mögen und rufen mit dem königlichen Dichter des jüdischen Alterthums: »Lobet den Herrn auf Erden Alle, die sein Wort ausrichten; denn sein Name allein ist hoch!«
Nicht alle Thiere besitzen eine eigentliche Stimme, und zwar, weil nicht alle mit einer Lunge und den mit ihr verbundenen Stimmwerkzeugen versehen sind;
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