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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Tempo zeigen. Ansichten, zu denen er sich bekennt, und Meinungen, die er einmal gefaßt hat, hält er mit erstaunenswerther Zähigkeit fest; er hat sie von seinen Eltern geerbt und trägt sie wieder auf seine Kinder über. Was der Großvater für recht und gut erkannte, das hält noch der Enkel für heilig, gleichviel, ob es bis dahin veraltet ist. Von Neuerungen ist er kein Freund, und daher bringt er allem Unbekannten ein Mißtrauen entgegen und hat die Vorsicht zur Mutter seiner Klugheit gemacht. Was Andere thun und treiben, das geht ihm wenig oder gar nichts an, wenn sie nur ihn in Ruhe lassen und nicht etwa gar verlangen, daß er seinen Grütze mit ihnen theile. Er steht eben unter dem unmittelbaren Einflusse des festen, unbeweglichen Elementes, welches er bearbeitet, und wie dasselbe trotz all dieser Arbeit sich doch immer gleich bleibt, so ist auch er das Urbild eines ächt Conservativen, welchem es vor Allem graut, was irgend einer Veränderung ähnlich sieht.
    Darum dringt die Wissenschaft mit ihren Erfolgen viel langsamer in das praktische Leben des Landwirthes ein, als in dasjenige anderer Berufszweige, und wenn wir auch sagen müssen, daß in diesem kräftigen und oft nur pietätvollen Beharren bei dem einmal Bestehenden eine der bedeutendsten nationalen Stützkräfte zu erkennen sei, so kann doch nicht geleugnet werden, daß die Zähigkeit einer zahlreichen Volksklasse einen hemmenden Einfluß auf die allgemeine Entwickelung ausüben müsse.
    Es gab eine Zeit, in welcher man mit wirklichem Rechte von dem »dummen Bauer« sprach; er war in Folge seiner Liebe zum Hergebrachten bei dem allgemeinen Drängen nach Vorwärts zurückgeblieben und bildete neben den gewandten Gestalten der Anderen nicht selten eine sogar oft komische Figur. Er war das enfant terrible aller Spaßvögel und Witzfabrikanten und der bevorzugte Operationsgegenstand Derjenigen, welche sich zu dem unguten Wahlspruche bekennen: »So lange es noch Dummheit giebt, braucht ein Gescheidter nicht zu arbeiten.«
    Das ist nun freilich anders geworden. Durch Schaden wird man klug, und die angeborene Bedächtigkeit des Bauern hat sich zu einer scharfsinnigen Vorsicht zugespitzt, welche   nur schwer zu übervortheilen ist. Es liegt in dem festen Besitze auch eine geistige Macht; dem nach festen Gesetzen vor sich gehenden Drängen nach Aufklärung kann sich Niemand auf die Dauer entziehen, und wie der Landmann treu am Alten hält, so energisch nimmt er auch das Neue in die Hand, wenn er es einmal als vortheilhaft erkannt hat. So ist es gekommen, daß der »dumme Bauer« mit der Zeit ein Pfiffikus geworden ist, der »es hinter den Ohren hat« und Manchem zu rathen aufgiebt, welcher mit Stolz und Zurücksetzung auf ihn herabblickte.
    Weit entfernt von den Erscheinungen des Landlebens sind die Eindrücke, unter denen der Bewohner der Stadt emporwächst.
    Während der Sohn des Bauern seine ersten Anschauungsübungen an Gegenständen versucht, welche sich einer unausgesetzten Realinjurie gegen Auge, Nase und Gehör schuldig machen, öffnet das Kind der Stadt sein Auge entweder inmitten einer schönen Häuslichkeit oder doch in einer Umgebung, welche dem Blicke Anderes bietet, als die nackten Unschönheiten, wie sie die Kehrseite eines Dorfes zeigt. Zeit und Kraft der Familienglieder werden hier nicht von den harten Anforderungen der schweren Handarbeit so vollständig absorbirt, daß die einzige Erholung »Schlaf,« das einzige Vergnügen »Wirthshaus« heißt und die Einsamkeit des Lebens jene Ungefügigkeit hervorbringt, welche man vorzugsweise an dem biedern Landmanne zu beobachten pflegt.
    Die Stadt ist aus Gesellschaftsrücksichten entstanden und trägt seit dem ersten Augenblicke ihres Bestehens das Gepräge der Geselligkeit an sich, der Geselligkeit, in welche ein jeder ihrer Bewohner sich bewußt oder unbewußt hineingezogen fühlt. Wer da glaubt, daß es Eltern und Lehrer allein sind, welche an der Erziehung eines Kindes wirken, der irrt sich gar sehr, denn hinter ihnen steht eine Hofmeisterin, welche, Jahrtausende alt und doch ewig jung, ihre Bemühungen unterstützt oder auch ihnen entgegen zu wirken vermag: das Leben mit seinen unzähligen Erscheinungsarten und immer wechselnden Ereignissen. Der Einfluß, welchen es auf die Erziehung des Kindes übt, wird von Vielen, Vielen gar nicht erkannt oder doch nur wenig beachtet und gewürdigt, und doch vermag ein einziges kleines Vorkommniß den ganzen Bau elterlicher Anstrengungen in Trümmern zu

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