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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wohnt in ihren Sehnen, Stärke in ihren Muskeln, fest und widerstandsfähig ist ihr Körper geformt; ihr Angesicht kennt nicht jene feinen, durchgeistigten Züge, wie sie der Maler der Civilisation seinen Gestalten so gern mittheilt; ihr Auge hat nicht jenen schmachtenden oder blasirten Blick, dem wir bei den verzärtelten Bewohnern der Städte so oft begegnen; ihre Hand ist rauh und hart, ihr Gang fest, ihr Schritt laut und gewichtig, und in ihrer ganzen äußeren Erscheinung prägt sich jene unveräußerliche Derbheit aus, welche ihnen die Thüren der feinen Gesellschafts Salons verschließt.
    Und diese Derbheit geht auch auf ihre geistigen Manieren über, nimmt ihre Ansichten, Meinungen und Gefühle in Beschlag und giebt sich bei jeder ihrer kleinsten Verhandlungen kund. Sie hüllt den Neugebornen mit kräftigem Drucke in die grobleinenen Windeln, lacht über die zeternde Stimme des Säuglings, überläßt das Kind getrost dem selbsterfundenen Spiele, jagt den Knaben und das Mädchen hinaus in das wehende Schneegestöber, läßt das Tanzhaus unter den wuchtigen Tritten des Jungvolkes erzittern, führt Mann und Weib mit klatschendem Handschlage und schallendem Kusse zusammen und begleitet den Menschen durch die Freuden und Sorgen des Lebens mit unveränderter Treue bis zum Grabe. Man sehe nur, wie der Modeheld mit schmachtenden Geberden vor seiner »Angebeteten« liegt, und blicke dagegen auf den Bauerburschen, der seiner Herzallerliebsten einen Puff in die Rippen beibringt, daß sie schier die Balance verliert, und dann kurz fragt:
    »Na, Stine, wie wär’t denn? hihihihi!«
    Das Mädchen reibt sich, nach dem ausgegangenen Athem schnappend, die blauanlaufende Stelle und antwortet:
    »I na, Jochem, dat kun ja woll sin! hihihihi!«
    Wenn draußen im Walde der Wind durch die engverschlungenen Zweige rauscht und der Wasserfall seinen monotonen Kanon plätschert, dann ertönt wohl eine tiefe, kräftige Stimme:
     
    »Ich schieß den Hirsch im wilden Forst,
    Im tiefen Wald das Reh,
    Den Adler auf der Klippe Horst,
    Die Ente auf dem See.
    Kein Ort, der Schutz gewähren kann
    Wo meine Büchse zielt,
    Und dennoch hab’ ich harter Mann
    Die Liebe brennend heiß gefühlt.
     
    Campire oft zur Winterszeit
    In Sturm und Wettersnacht,
    Hab’, überreift und überschneit,
    Den Stein zum Bett gemacht.
    Auf Dornen schlief ich unbewußt,
    Vom Nordwind unberührt,
    Und dennoch hat auch meine Brust
    Die Liebe brennend heiß gespürt.
     
    Der wilde Falk ist mein Gesell,
    Der Wolf mein Kampfgespann,
    Der Tag geht mir mit Hundsgebell,
    Die Nacht mit Hussa an.
    Ein Tannreis schmückt statt Blumenzier
    Den schweißbedeckten Hut,
    Und dennoch schlug die Liebe mir
    In’s wilde, heiße Jägerblut,«
     
    und wie das Lied die Rauheiten des unmittelbaren Verkehres mit der Mutter Natur, welche ihre Kinder nicht verweichlichen läßt, ganz treffend schildert, so weist es auch hin auf die ungeminderte Kraft, mit welcher sich die Regungen des Gefühles eines Menschenherzens bemächtigen, dessen Träger seine Arme den Fesseln der sogenannten verfeinerten Sitte noch nicht dargeboten hat. Wie kein menschlicher Wille dem Sturme seine Richtung, Dauer und Stärke vorzuzeichnen oder den zuckenden Funken des Blitzes zu halten vermag, so stehen auch die seelischen Meteore des Naturmenschen unter keiner beengenden Herrschaft und machen sich in kräftigerer Weise geltend, als da, wo Convenienz und Dehors den Schritt des lackbeschuhten Fußes lenken.
    Und doch, so wie der Wald nach seinem Character so verschieden ist von der offenen Flur, so trägt auch der in ihm Beschäftigte, der Jäger, der Holzhauer, ein von dem Ackerbauer verschiedenes körperliches und geistiges Gepräge an sich. Die Mysterien des Forstes haben ihren Schleier auch über ihn gelegt und der poesievolle Duft der dunklen Tannenwipfel webt seine Träume auch um seine Person.
    Der Bauer, meist auf dem Stückchen Erde geboren, welches er bewohnt, zieht nur aus seinem Acker das, was ihm zum Leben und Bestehen nothwendig ist. Er legt den Samen in das Land und ist, wenn er die Früchte erndten und genießen will, fest an den Ort gebunden. Dieses Beharren und Festhalten ist ihm auch zur geistigen Eigenthümlichkeit geworden.
    Schon in körperlicher Beziehung ist er nicht leicht beweglich; sein Schritt ist ein langsamer und sicherer, seine Haltung eine jederzeit ruhige und bedächtige, und es muß eine Leidenschaft in ihm erweckt worden sein, wenn ja einmal seine Bewegungen ein lebhafteres

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