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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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früheren Bewohnern, und
     
    »Du bist die weitberühmte Stadt,
    Von Glanz und Ruhm erhellt,
    Der man mit Recht gegeben hat
    Den Namen ›Goldne Welt‹«,
     
    sagt Ramiers von dem berühmten Brügge. An solchen individualisirenden Bezeichnungen ist stets etwas Wahres, denn jede Stadt, ja überhaupt jede Ortschaft hat ihren eigenen Character und stellt sich, wenn dieser Ausdruck hier erlaubt ist, als eine Persönlichkeit dar.
    Aber nicht blos positive, sondern auch negative Eigenschaften sind es, welche gewissen Gegenden und Oertern einen hellen Nimbus verleihen. Man denke nur an das wundervoll geistreiche Lied:
     
    »Die Pinzgauer wollten wallfahrten gehn
    Und wollten schön singen und konnten’s nit schön:
    Zschiha, Zschihu, Zschiho,
    Die Pinzgauer sind schon do!«
     
    oder an die berühmten Schildbürger und Bewohner von Krähwinkel, wenn nicht gar an das weltbekannte Tripsdrille, »wo die Pfütze über die Weide geht.«
    Wie man früher possierlicher Weise die Orgeln in ganze, halbe, Viertel- und Achtel-Orgeln eintheilte, so spricht man auch von Städten ersten, zweiten, dritten, vierten etc. Ranges, und jeder Ort strebt, in dieser zweifelhaften Stufenordnung eine höhere Stelle einzunehmen. Und ist gar die Hunderttausendzahl der Einwohner voll, so steuert man mit vollen Segeln auf die »Weltstadt« zu, und doch beweist die Geschichte, daß sehr oft ein kleines, unbedeutendes Städtchen oder Dörfchen größeren Einfluß auf die Richtung und Gestaltung des Völkerlebens ausübte, als die bevölkertste Metropole. Die Riesenstädte der Vergangenheit liegen unter Schutt und Trümmer, und die Babels und Ninive’s der Gegenwart breiten ihre Häuserreihen über Orte, an denen damals der Bär mit dem Auerochsen kämpfte. So folgt in dem großen, allgemeinen Entstehen und Vergehen Eins dem Anderen, und wie kein Mensch sein Schicksal vorauszusehen vermag, so liegt auch die Geographie der Zukunft hinter dichtem, undurchdringlichem Schleier verborgen.
    8.
     
    Haus und Hof
     
    »Siehe, wie fein und lieblich ist es,
    Daß Brüder einträchtig bei einander wohnen!«
    Ps. 133,1.
     
    Dieses Wort des Israelitenkönigs David hat nun fast drei Tausend Jahre überdauert, ist mit der Bibel in fast alle Sprachen der Erde übersetzt worden, der Weise sowohl wie auch der geistig Träge und Unbeholfene erkennen die hohe Wahrheit an, welche in ihm enthalten ist, und dennoch schwebt der Genius der Eintracht noch zwischen den Wolken und darf sich nur zuweilen herniederlassen auf ein bescheidenes und abgelegenes Plätzchen, um für kurze Zeit ausruhen zu können vom ermattenden Flügelschlage. In der Natur sowohl wie im Menschenleben ist ein unausgesetztes Gegeneinanderwirken der Kräfte und Gaben zu bemerken; aus dem Verschwinden und Vergehen des Einen zieht das Entstehen und Emporwachsen des Anderen seine Nahrung, um später selbst einer neuen Entwickelungsform zu weichen, und während die Geister sich aneinander reiben, unterliegt auch der Stoff einem ewigen Wechsel zwischen Leben und Sterben. Es ist wirklich, als sei das irdische Dasein nur durch ein kämpfendes Aufeinanderwirken der verschiedenen körperlichen und geistigen Kräfte ermöglicht, als biete das unausgesetzte Ringen der Naturgewalten nur ein Vorbild der Friedlosigkeit, welche sich durch alle menschlichen Verhältnisse zieht, und fast scheint es, als sei eine Ausgleichung der Gegensätze, eine Ruhe nur im Tode zu finden.
    Und doch möchte das Herz gern an eine Zeit glauben, in welcher das Schwert zur Sichel wird und die Weissagung der himmlischen Heerschaaren: »Friede auf Erden« in Erfüllung geht. Die Religion der Liebe, das Christenthum, hat trotz ihres neunzehnhundertjährigen Bestehens der Welt noch den ersehnten Frieden nicht gebracht; ihre eigenen Anhänger standen und stehen sich noch heut in zahlreichen Heerlagern feindselig gegenüber, und ihre Geschichte ist fast von Episode zu Episode mit blutigem Stifte geschrieben. Und hegen selbst die Muhamedaner den schönen Glauben, daß Isa Ben Marryam, Jesus, der Sohn Mariens, vom Himmel herabsteigen und sich auf die Moschee der Ommijaden zu Damaskus niederlassen werde, um das große und ewige Reich des Friedens zu gründen, so muß selbst der Nichtmuselmann die Erfolglosigkeit dieser islamitischen Hoffnung bedauern.
    Nur eine Macht giebt es, welche, über allen Parteien stehend, nach Milderung und Versöhnung strebt, sich allen religiösen und politischen Zerwürfnissen von Tag zu Tage immer mehr überlegen

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