Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Grottentempel bildeten oft ganze unterirdische Städte, und der aus schwarzem Felsen gehauene Elephant auf der Insel Elephanta z.B. enthält in seinem Innern einen Tempel von über 130 Fuß Länge.
Unter den Tempeln Vorderasiens ist der von Salomo zu Jerusalem erbaute am erwähnenswerthesten, an welchem volle sieben Jahre gebaut wurde. Die Bibel giebt eine ausführliche Beschreibung seiner Herrlichkeit. Im Jahre 587 vor Christo durch Nebucadnezar zerstört, wurde er unter Cyrus wieder aufgebaut. Bei der Zerstörung Jerusalems unter Titus wurde er mehr durch die Juden selbst als durch die Römer in Brand gesteckt. An seine Stelle baute im Jahre 644 nach Christi der Kalif Omar eine Moschee.
Die griechischen Tempel lassen sich in dorische, jonische und korinthische unterscheiden. Ihr Umfang war meist nicht groß, da sie bestimmt waren, nur den opfernden Priester mit seiner Begleitung aufzunehmen, und erhielten nur durch die Säulenhallen, in denen sich das Volk versammelte, eine größere Ausdehnung. Ihre Architectur ging später auf die römischen über. Die Germanen verehrten ihre Gottheiten zwar an freien Orten, doch finden sich bei den Deutschen auch Spuren alter Tempel, und in Skandinavien gab es Privatcapellen, welche nur dem häuslichen Gottesdienste gewidmet waren.
Die Tempel der Christen werden Kirchen genannt. Der Grundriß derselben war fast immer ein lateinisches oder griechisches Kreuz, doch jetzt hält man sich nicht mehr so streng an diese Figur. Eine nicht wesentliche aber fast allgemeine Verzierung der Kirchen sind die Kirchenthürme. Anfangs hatten die Christen keine Kirchen, sondern versammelten sich, so lange sie noch nicht von den Juden getrennt waren, in Tempeln und Synagogen, später in Privathäusern, und unter der Verfolgung in Höhlen oder an sonstigen verborgenen Orten. Erst im zweiten Jahrhunderte finden sich die ersten Spuren von Kirchen in unserem Sinne, und von da an mehrte sich ihre Zahl mit der Ausbreitung des Christenthums in der Weise, daß z.B. Rom im dritten Jahrhunderte schon 40 große Kirchen hatte. Jetzt hat fast ein jedes Dorf sein Gotteshaus.
Wollte man berechnen, welch’ eine ungeheure Summe die Erbauung aller Tempel und Kirchen der Erde gekostet hat, so würde man auf ein Capital kommen, von welchem die ganze Menschheit auf eine geraume Weile ernährt und verpflegt werden könnte. Die Frage, ob diese ungeheuren Ausgaben mit dem Zwecke, welchen sie verfolgten, im Einklange stehen, muß unbedingt bejaht werden, ob aber dieser Zweck erreicht wurde, ob die auf dem Gebiete der Religion erzielten Erfolge in ein befriedigendes Verhältniß zu den Anstrengungen zu bringen sind, welche unsere Kirchenbauten erforderten, das ist eine schwer zu beantwortende Frage.
Wie viele kleine Ortschaften giebt es, besonders in südlichen Ländern, auf welche der stolze Thurm einer prachtvollen Kirche herabblickt, deren Erbauung viele Tausende gekostet hat, und um das »theure« Gotteshaus gruppiren sich einige Dutzend armseliger Hütten, die kaum den nothwendigen Schutz gegen die Unbilden der Witterung gewähren und deren Bewohner mit Noth und Sorge kämpfen. Die Häuser sind schadhaft, die Gärten verwahrlost, über die fast unwegbare Straße läuft der Abfluß der Düngerstellen und verbreitet seine Wohlgerüche bis in das Innere des kirchlichen Heiligthums. Hier wird der volkswirthschaftlich Gebildete sich denn doch vielleicht eines leisen Kopfschüttelns schuldig machen.
Eine allgemeine Erfahrung ist es, daß neben den Räumen, welche den heiligsten Zwecken gewidmet sind, sich gewöhnlich ein Häuslein erhebt, in dem man Gelegenheit hat, weniger ernsten Absichten nachzustreben. »Wo der liebe Gott ein Haus baut, da setzt der Teufel eine Hütte daneben,« sagt ein altes Sprüchwort, und es soll auch gar nicht geleugnet werden, daß zwischen den Kirchengängern einerseits und den Priestern des Bacchus und Gambrinus andererseits fast stets eine gewisse Anziehungskraft thätig ist.
Diese Anziehungskraft wird trefflich illustrirt durch die Anekdote von jenem Herzoge von Braunschweig, bei dem der Pfarrer eines Dorfes sich beschwerte, daß er so wenig Kirchgänger habe, weil seine Bauern sich lieber in das Wirthshaus setzten, als sich an seiner Predigt erbauten. Der fromme und energische Landesvater beschloß, die Sache zu untersuchen und kam während des Gottesdienstes in das Dorf, ging in das Gasthaus und fand richtig fast alle Bauern um eine lange Tafel beim Biere sitzen. Ein großer Krug,
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