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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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irre geleitet wurde. Darum betrachtet der Gesetzgeber der Gegenwart den Verirrten nicht mehr als ein aus der Gesellschaft gestoßenes wildes Thier, sondern als einen durch falsche Erziehung Mißgeleiteten, welcher durch die Sühne zur Besserung geführt werden soll.
    »Dunkle Häuser« nennt Gustav Rasch die Anstalten, welche den Uebertretern des elften Gebotes: »Du sollst Dich nicht erwischen lassen« zum Aufenthalte dienen; aber es wird heller und lichter hinter den Mauern; die eisernen Gitterstäbe sind schon längst nicht mehr die Sinnbilder einer ausgesprochenen Hoffnungslosigkeit, und wenn das Thor sich öffnet, so geht gar mancher brauchbare Mensch daraus hervor, welcher mit einer beklagenswerthen Vergangenheit abgeschlossen hat, um einer besseren und schuldfreien Zukunft zu leben. Möchte doch auch das Vorurtheil nach und nach schwinden, welches sich solchen Leuten oft so gewaltig hindernd in den neubetretenen Weg stellt!
    Weit, sehr weit würde es uns führen, wenn wir auch nur einen oberflächlichen Blick auf all’ die Häuser werfen wollten, welche anderen als familiären Zwecken dienen. Ihre Zahl ist Legion. Bald ist ihre Firma eine friedliche, bald eine kriegerische, bald treten sie anspruchsvoll an die Oeffentlichkeit, bald ziehen sie sich bescheiden in die Verborgenheit zurück, bald schwingt in ihnen der Segen sein fruchtbringendes Scepter, bald brütet der Fluch in ihren finsteren, schmutzigen Winkeln; kehren wir zurück zur traulichen, heimischen Stätte, deren Fenster hell und einladend im Strahle der untergehenden Sonne flimmern, und wo uns ein freundlich Häuslein winkt, da wohnt gewiß auch freundlicher Sinn und offene Herzlichkeit unter seinem Dache, denn wie der Teich, so der Frosch, wie das Loch, so die Maus, wie die Höhle, so der Bär, und wie das Haus, so der Mensch.
    Das scheint sehr viel behauptet zu sein, und doch ist’s wahr.
    Der stolze Aristokrat, welcher sich hoch erhaben dünkt über dem Manne des arbeitenden Volkes, wo baut er sein Haus hin? Hinauf auf die Spitze des Berges. Gleicht es nicht ihm selbst? Unzugänglich ist der Felsen, auf welchem es steht – unzugänglich ist der Stolz seines Besitzers. Millionen hat es gekostet, den Prachtbau zu errichten – wieviel Lebenskraft haben wohl die Wurzeln, Aeste und Zweige eines einzigen Geschlechtes dem ährentragenden Felde, dem arbeitenden Volke entzogen? Hoch erhebt es seine Zinnen, dem Sturme Trotz bietend – auf den höchsten Stufen der Gesellschaft bewegt sich der Bevorzugte, und doch – der Sturm der Zeit hat manche Burg zertrümmert und manchen Stammbaum in den Staub gelegt.
    Der nach Gewinn strebende Geschäftsmensch, wie baut er? Dunkle Speicher füllen ein breites Areal – dunkel wie so manches Geschäft ist, und breit, wie sich ihr Besitzer macht. Thüren und Fenster gehen nach innen, außen starrt die nackte Wand – der Egoismus schließt sich ab und ist nach außen hin sowohl im Worte als auch in der That ohne Mittheilsamkeit. Riesige Fabrikräume erheben sich oder strecken sich in die Länge; schwarz und schmutzig legt der Rauch seine Spuren an ihre Mauern; nur der Arbeit gewidmet, entbehren die Säle und Zimmer aller auf Ruhe und Bequemlichkeit deutenden Einrichtungen – so auch der Besitzer. Der Arbeitsdrang baut sein Project in die Höhe oder Breite; die Realität des alltäglichen Lebens gebietet über seine Gedanken und Gefühle, und ruhelos treiben ihn seine Pläne durch ein Dasein, welches nur selten von höheren Rücksichten erleuchtet und verschönert wird.
    So baut ein Jeder nach seiner Absicht, seinem Gusto, der Reiche anders als der Arme, der Hochmüthige anders als der Demüthige, der Prahler anders als der Bescheidene, und sollte das Aeußere eines Hauses nicht mit Sicherheit auf den Character seiner Bewohner schließen lassen, so wird dieser Schluß nach einem Blicke auf das Innere sehr bald zu ziehen sein.
    Es ist mit der Wohnung fast ebenso wie mit einem Menschenangesichte. Man begegnet irgend Jemandem, den man noch nie gesehen und der Einem auch nie Etwas zu Leide gethan hat, und doch fühlt man sofort, daß man ihm nie Liebe und Vertrauen schenken könnte, ja, es zuckt Einem vielleicht gar in der Hand, als wünsche sie unwillkürlich, mit seinem Gesichte in Berührung zu kommen. Saphir nennt solche Gesichter sehr bezeichnend »Ohrfeigengesichter«. Und ebenso kommt man mit einem vollständig Unbekannten zusammen, mit dem man noch nie ein Wort gewechselt, noch nie etwa Gutes von ihm gehört

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