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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Seele zu, welche dieselben   durch die Anschauung erfaßte und die einzelnen Anschauungen zu Begriffen verband.
    Die Begriffe begannen, im Innern des Menschen auf einander zu wirken, indem sie in eine vergleichende Beziehung zu einander traten, deren Resultat die Gedanken waren.
    Von diesen Augenblicken an erst war der Mensch ein denkendes Wesen, welches sich befähigt zeigte, durch die Verbindung der Begriffe zur Erkenntniß alles Seienden, also auch seiner selbst zu gelangen, und von den drei großen Vermögen der Seele, der Erkenntniß, dem Gefühle und dem Wollen war es also die Erstere, welche noch vor den beiden Anderen zur Thätigkeit gelangte.
    Diese ihre Thätigkeit war zunächst auf die sinnlich wahrnehmbaren Dinge gerichtet, deren Wesen sie zu erfassen, zu durchdringen strebte, um den ersten Schritt zu thun zur Herrschaft über alles Lebende, für welche der Mensch bestimmt war durch die Worte des Schöpfers: »Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meere, über die Vögel unter dem Himmel, über das Vieh, über die ganze Erde und über alles Gewürm, was auf Erden kriechet!« Denn nie und nimmer läßt sich ein Zustand, ein Gegenstand oder Wesen beherrschen und dominiren, bevor es nicht in allen Einzelnheiten seines Wesens und seiner Beziehungen erkannt, ergriffen und festgehalten worden ist.
    Dieser erste Schritt war zugleich der schwierigste, denn der damalige Mensch besaß nicht eine an Errungenschaften so reiche Vergangenheit wie diejenige ist, auf welche sich der Denker und Forscher der Gegenwart stützen darf, und keine Wissenschaft machte ihn mit den Regeln bekannt, nach welchen sich das Eine aus dem Andern schließen und so ein vereinigendes Band durch und um alles Wahrnehmbare ziehen und schlingen läßt. –
    Die Schärfe seines Gedankens mußte sich erst an der Erfahrung üben und nur durch Irrthum konnte er zur Wahrheit gelangen. Er war der Mittelpunkt, um den sich alles Lebende und Bestehende gruppirte; je mehr sein Blick sich schärfte, desto mehr vergrößerte sich sein Einfluß auf die Außenwelt und erweiterte mehr und mehr die ihm gezogenen Grenzen.
    Aber wer hatte diese Grenzen ihm gesetzt? Wer war die Macht, mit der er um die Herrschaft rang, die ihm wohl gestattete, das Reich seiner   Wirksamkeit immer weiter auszudehnen, aber wieder und immer wieder ihm ihre Ueberlegenheit bemerklich machte? Er rang mit ihr und – fühlte seine Schwäche: Er stellte sich ihr feindselig gegenüber und wurde dadurch zur Erkenntniß seiner selbst geführt. Das ist die Wahrheit, welche in der biblischen Legende von dem Sündenfalle liegt.
    Er hatte sich gedünkt, ein Herr zu sein, sah diese Herrschaft in der Hand eines Mächtigeren und erkannte, daß er nur durch Mühe und Arbeit im Schweiße seines Angesichtes zu ihr gelangen möge. Dies war die Frucht, die er sich vom Baume der Erkenntniß gebrochen hatte und welche das erste Stadium in der Erziehungsgeschichte der Menschheit bildet. Von hier datirt der Zwiespalt in dem menschlichen Herzen, unter welchem es bald zum Himmel jauchzt und bald sich an den Staub gebunden fühlt.
    Die Geschichte von dem Sündenfalle ist die Geschichte von der Emancipation des Menschengeistes, die Geschichte seines Erwachens zu selbständiger, selbstbewußter Thätigkeit, von den Finsterlingen als das größeste Unglück von den Freidenkenden aber als die bedeutendste Errungenschaft auf dem Gebiete des Nichtsinnlichen bezeichnet.
    Der selbstständige und selbstbestimmende Geist kennt keinen andern als den selbsterworbenen Besitz und deßhalb hat es für ihn kein Paradies gegeben, sondern er strebt erst nach einem Eden der Zukunft, in welchem er frei von den Fesseln, welche Zeit, Raum und irdische Verhältnisse um ihn schlagen, die ihm verliehenen Kräfte bethätigen kann.
    Der kindliche Glaube aber erblickt in den Mängeln des irdischen Lebens eine Hindeutung auf einen früheren Zustand der Reinheit und Fehlerlosigkeit, auf ein Dasein, welches die Sünde noch nicht kannte, von keiner Schuld und Strafe ahnte und nur durch ein unablässiges Ringen nach Gnade und Barmherzigkeit zurückgerufen werden kann. Und dieser Kinderglaube kann eben auch nur einem kindlichen Geiste zu eigen sein.
    Ihn versetzt die Sehnsucht in den verlorenen Garten zurück, dessen Schönheit er sich mit den lieblichsten und glühendsten Farben der Phantasie ausmalt. Da gab es nicht Sturm und Wetter; da wütheten nicht die entfesselten,

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