Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
zu zwingen; man berichtete von einem sechsten und sogar siebenten Buche Mosis, welches alle kalbalistischen Lehren enthalte und hier und da in Kirchen mit Ketten angeschlossen sei.
Die Sage bemächtigte sich gewisser Persönlichkeiten, wie. z.B. des Dr. Faust, Paracelsus, Philadelphia, und erzählt von ihnen die wunderbarsten Thaten, welche sie mit Hülfe des Teufels ausgeführt haben sollen; man spricht von einem einfachen, doppelten und dreifachen »Höllenzwang«, findet zuweilen heut’ noch alte räthselhafte, mit geheimnißvollen Zeichen versehene Manuscripte und empfindet ein leises Gruseln, wenn von den Kanzeln herab mit Beelzebub gedroht wird.
Aber wie die biblische Lehre ihn einen »Lügner von Anfang« nennt, so ist auch das ganze Dasein eines persönlichen Teufels eine Unwahrheit, und mit dem echten und wahren Gottesglauben unmöglich zu vereinigen.
Kann der heilige, der allliebende Gott ein Wesen neben sich dulden, welches die Geschöpfe seiner Hand, die Kinder seiner Liebe mit dem Fluche der Sünde belastet, ihnen ihre Göttlichkeit raubt, sie in Fesseln und Banden schlägt und dem zeitlichen, geistigen und ewigen Tode entgegenführt? Kann ein Gott dulden, daß die ewigen Gesetze seiner Weisheit zu Schanden werden um eines Geistes willen, dessen Aufgabe der Fluch, die Vernichtung ist? Kann Gott, der Allmächtige, seine Allmacht in die Hände eines Wesens legen, welches der Hölle entstiegen ist? Kann es überhaupt bei der Bestimmung Aller, selig zu werden, eine Hölle geben?
Wenn die ewige Liebe Wesen erschuf zu dem alleinigen Zwecke des Glückes, so ist eine Macht, welche nur das Unglück beabsichtigt, eine Unmöglichkeit. Wenn die Macht, welcher die Welt ihre Entstehung verdankt, Allmacht ist, so muß sie ungetheilt bestehen, und ein Geist, welcher gegen sie streitet, ist eine Unmöglichkeit. Wenn die göttliche Allweisheit Gesetze schuf, nach denen allein der Gang aller Entwickelung in Ordnung und ohne Störung verfließen kann, so ist das Böse, welches hindernd in diese Entwickelung eingreift, eine Unmöglichkeit.
Giebt es einen allmächtigen Gott, so kann es keine Teufel geben. Giebt es ein absolut Gutes, so kann es nicht das Böse geben. Giebt es eine Seligkeit, so ist damit jede Verdammniß ausgeschlossen.
Damit soll indeß nicht gesagt sein, daß jede Daseinsform den Zustand der Vollkommenheit erreicht habe. Wie das Verlangen nach einer Freude, also die Hoffnung, das Herz höher klopfen läßt, als diese Freude selbst, so liegt in dem »Trachten nach dem Reiche Gottes« eine Seligkeit, welche vielleicht nichts anderes ist, als eben die Seligkeit.
Warum ist das alte Wort wahr, welches sagt: »der Mensch bekommt nie genug?« Nur deshalb, weil das Streben mehr noch befriedigt, als das Erreichen des Zieles, und ist dieses Ziel zu niedrig gesteckt worden, so daß man es in Bälde zu erreichen vermag, so fühlt man sich nach weiteren Zielen vorwärts getrieben.
Jedes erschaffene Wesen, stehe es immer auf irgend welcher Stufe, ist relativ vollkommen, d.h. es besitzt alle diejenigen Eigenschaften, welche zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe nothwendig sind. Hat es dieselbe gelöst, so ist es einen großen Schritt vorwärts gedrungen und geschickt worden zur Lösung neuer Aufgaben, welche ihm an dem Horizonte immer von neuem entstehen, je mehr sich derselbe erweitert.
Auch der Mensch steht mitten in dieser Entwickelung, in diesem Vorwärtsstreben, in diesem Schreiten von Ziel zu Ziel, und wie das einzelne Individuum, die Gesammtheit der Familie, des Stammes, des Volkes das Alte zurückläßt und immer nach Neuerem, nach Besserem, nach Höherem strebt, so auch das Große, Ganze, welches wir Menschheit nennen.
Der Mensch ist nicht geboren, um ein in sich abgeschlossenes und mit dem Tode endendes Dasein auf der Erde zu leben, sondern nach der Erfüllung der irdischen Wallfahrt zu neuem Sein vorzuschreiten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Geist, welcher den menschlichen Körper beseelt, nicht mit dem Säuglinge entstanden ist, sondern vielleicht schon viele Hunderte von Entwickelungsstufen zurückgelegt hat und ohne Erinnerung an das Vergangene im Kinde erwacht, um für die Anforderungen des Erdenlebens zu zeitigen und reif zu werden. »In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen, und ich gehe hin, Euch die Stätte zu bereiten,« sagte Christus, der Weiseste der Weisen, und wie er hingegangen ist, den Seinigen voran, so werden auch wir den Nachkommenden vorangehen, um die Wohnungen des
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