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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gemüthes zu irgend einer Person den einzelnen Menschen zu den schönsten Thaten führen kann, so ist es die Liebe zu Gott, das Festhangen an den himmlischen Offenbarungen, wodurch ganze Nationen aus der Ruhe des gesellschaftlichen Lebens gerissen und zu Handlungen begeistert werden, welche ihre Folge bis in spätere Jahrtausende tragen.
    Gott, der über den Sternen thronet, ist der höchste, der erhabenste Gegenstand, nach welchem das menschliche Herz zu streben befähigt ist, und so darf es nicht wundern, wenn die Liebe zu ihm in mächtigeren und dauernderen Wirkungen auftritt, als die Zuneigung zu irgend einem der uns umgebenden Wesen.
    Diese Liebe ist von der einen Seite mit klug berechnendem Scharfsinn zur Erreichung von Kastenzwecken benutzt und von der anderen Seite unter Verneinung eines höheren Wesens mit geringschätzendem Spotte verurtheilt und verlacht worden; aber sie ist der gewaltigste Hebel der Cultur gewesen und hat den Völkern Gesetze vorgeschrieben, aus deren Erfüllung ihre geistige und politische Größe hervorging.
    Freilich darf die Liebe nicht frei zum Himmel streben; es streckt der Egoismus die knöchernen Arme nach ihr aus und sucht sie immer wieder herunter zu ziehen in den Staub und Schmutz der Erde.
    Jedes Volk geht seine eigenen Wege zur Erkenntniß, und die Stufen   der geistigen Anschauungen sind sehr verschieden. Leicht dünkt sich da der Eine höher, aufgeklärter und besser als der Andere, und maßt sich die Aufgabe an, ihn – und wäre es unter Anwendung von Gewaltmaßregeln – zu sich empor zu ziehen. Aber Niemand darf sagen: »Mein Glaube ist der allein richtige,« denn die verschiedenen Anbetungsformen sind nichts, als verschiedene Töne eines und desselben Accordes, der Harmonie mit Gott.
    Die Liebe zum himmlischen Vater vermag den Menschen zum Engel, aber auch zur Furie zu machen. –
    Wie die echte, wahre und aufopferungsfähige Zuneigung der Menschen sich nicht von dem ersten Augenblicke der Bekanntschaft datirt, so war auch bei den ersten Menschen die Liebe zu Gott nicht das erste Product der religiösen Erkenntniß, sondern es mußten lange Jahrhunderte vergehen, ehe es jauchzend über die Erde tönte: »Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.«
    Die Allmacht war die erste göttliche Eigenschaft, deren sich der Erdenbewohner bewußt wurde, und die Größe und Unbeschränktheit des göttlichen Könnens mußte ihn zur Demuth, zur Furcht, zur Angst führen. Er fühlte in sich Regungen, welche dem göttlichen Willen widerstrebten, und sah im Rollen des Donners, im Zucken der Blitze, im Sausen des Sturmes, im Brausen der Wogen, im Zittern des Erdbebens nichts als Androhungen des göttlichen Strafgerichtes.
    Er war so schwach, so klein, so armselig, daß er demselben nicht das geringste Widerstreben entgegensetzen konnte und suchte es durch Darbringung von Gaben, von Opfern, durch auferlegte Bußübungen von sich fern zu halten. Diese Uebungen bestanden entweder in Entsagungen oder thätlichen Kasteiungen, die Opfer in der Darbringung von Feld- und Gartenfrüchten, von Thieren oder bei barbarischen Völkern gar von Menschen.
    Man meinte, damit die Verzeihung nicht blos erlangen, sondern wohl gar verdienen zu können, eine Annahme, aus welcher sich die spätere Werkgerechtigkeit des Pharisäerthums entwickelte.
    Da trat der große Redner der Bergpredigt auf und stürzte mit seiner funkensprühenden Lehre diese auf sich selbst pochende und auf Andere tief herabblickende Gerechtigkeit über den Haufen. Doch nicht blos einzureißen war er berufen, sondern auf den Trümmern des Zusammengestürzten wölbte er den Tempelbau der göttlichen Liebe empor und lehrte die Erkenntniß,   daß wir allzumal Sünder sind, und Nichts uns zu halten vermag als einzig und allein nur die barmherzige Liebe des ewigen Vaters.
    Er warf das leuchtende Wort von der Gotteskindschaft mitten hinein in die Finsterniß des Unglaubens, Mißglaubens und der Sclaverei und war somit der Sohn Gottes, der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Seit jenen großen Tagen fallen die Strahlen der göttlichen Liebe hell und ungetrübt herab auf das Menschengeschlecht, brechen sich weiter und immer weiter Bahn und vereinigen die entlegendsten Stämme zu einem großen, zusammenhängenden Familienverbande.
    Die Nebel sind gefallen, die Schatten haben sich gesenkt, und es ist lichter, heller Tag geworden,

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