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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Nervösität einer Frau bewundern, welche sich offenbar in einem innormalen, wenn auch nothwendigen, Zustande befindet!
    Nein, die körperliche Schwangerschaft ist ein leidender, der Schönheit feindlicher und gefährlicher Zustand. Aber das geistige Tragen unter dem Herzen, die Ausbildung und Entwickelung des Gefühles und Gemüthes eines neugeborenen Menschenkindes, wie es sich in der liebereichen Beziehung der Mutter zu dem Säugling vollzieht, bietet der Schönheiten so viele, daß dieses Thema für den Künstler fast unerschöpflich erscheint.
     
    »Der Mutterliebe zarte Sorgen
    Bewachen seinen gold’nen Morgen«
     
    singt Schiller in der Glocke, und mit diesen wenigen Worten ist ein Gemälde gezeichnet, welches einen unerschöpflichen Reichthum an Schönheiten Erhabenheiten und Seligkeiten entfaltet. Giebt es auf Erden irgend Etwas, dem eine ewige Jugend verliehen ist, so ist es das Mutterherz, dessen Reichthum ein so unerschöpflicher ist, daß es unmöglich ausgeschöpft werden kann, sondern seine Gaben in ununterbrochener Fülle spendet, bis dieses Herz seinen letzten Schlag gethan hat:
     
    »Sie hat vom ersten Tage an
    Für dich gelebt mit bangen Sorgen;
    Sie brachte Abends dich zur Ruh’,
    Sie weckte küssend dich am Morgen.
    Und warst du krank, sie pflegte dein,
    Den sie im tiefsten Schmerz geboren;
    Und gaben Alle dich schon auf,
    Die Mutter gab dich nicht verloren.
     
    Sie lehrte dich den frommen Spruch
    Und, lernte dir zuerst das Reden;
    Sie faltete die Hände dein
    Und lehrte dich zum Vater beten.
    Sie lenkte deinen Kindessinn
    Und wachte über deine Jugend;
    Der Mutter dankst du es allein,
    Wenn du noch gehst den Pfad der Tugend.
     
    Wie oft hat nicht die treue Hand
    Auf deinem Lockenhaupt gelegen;
    Wie oft hat nicht ihr frommes Herz
    Für dich gefleht um Gottes Segen.
    Und hättest du die Lieb’ verkannt,
    Belohnt mit Undank ihre Treue:
    Das Mutterherz verzieh Dir stets,
    Umfaßt’ mit Liebe dich auf’s Neue.«
     
    Es ist unumgänglich nothwendig, hier an dieser Stelle eines Thema’s zu gedenken, mit welchem sich der Menschenfreund,   der Psycholog und der Gesetzgeber mit eingehendem Eifer zu beschäftigen pflegen.
    Hat ein junges, unerfahrenes und vertrauensvolles Mädchen in einem schwachen, unbewachten Augenblicke den Versuchungen ihres Verführers und der Aufregung ihrer eigenen Gefühle nicht den rechten, nothwendigen Widerstand geleistet und fühlt sie nun die Frucht dieser Unbedachtsamkeit unter ihrem Herzen sich entwickeln, so sieht sie sich oft in die beklagenswertheste Lage versetzt. Von dem Vater ihres Kindes verlassen und entweder alleinstehend oder von den hartherzigen Eltern fortgestoßen, ist sie der Schande preisgegeben und leidet unter dem Mangel alles Dessen, was eine Entbindung mit ihren zahlreichen und kostspieligen Folgen als Erforderniß hinstellt. Sie sucht ihren Zustand so lange wie möglich zu verbergen, und statt die Frucht ihres Fehltrittes als ein kostbares Geschenk und die Stunde der Geburt als eine freudige anzusehen, erblickt sie in der ersteren nur die verhaßte Hinterlassenschaft eines Menschen, der sie um Liebe und Vertrauen betrog und das größte, kostbarste Geschenk eines unschuldigen Mädchens, ihre Ehre, rücksichtslos mit Füßen tritt. Die Angst vor all’ den erwähnten Folgen bemächtigt sich ihres Herzens; das Kind ist Fleisch von ihrem Fleische, Blut von ihrem Blute, erscheint ihr als ein Theil ihrer selbst, über dessen Schicksal, über dessen Bestehen oder Vergehen nach den Gesetzen der Natur nur sie allein das Recht der Bestimmung hat. Ihr Nervensystem wird durch den Zustand der Schwangerschaft in ungewöhnliche Mitleidenschaft gezogen; es bemächtigt sich ihrer eine immer wachsende Aufregung, welche ihre Denkkraft beeinträchtigt, dazu kommt der Schmerz der Geburt, welcher ihr die Zukunft im grellsten Lichte erscheinen läßt; die ganze körperliche und geistige Constitution ist in eine Revolution versetzt, durch welche für den Augenblick der ernste, sittliche Halt vollständig verloren gegangen ist und – die That ist geschehen, das junge Leben vernichtet, noch ehe es zum Bewußtsein kommen konnte.
    Liegt hier ein Verbrechen, ein Mord vor? Ganz gewiß. Sind die Gründe, durch welche sie sich zu demselben bewegen ließ, stichhaltig? Nein; aber viel, sehr viel läßt sich sagen, um das grelle, abschreckende Licht, welche die gräßliche Sylbe »Mord« umfluthet, zu mildern. Die Vergangenheit bestrafte den gewaltsamen Tod eines

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