Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Neugeborenen mit den härtesten ihrer Strafen; die nachfolgenden Zeiten sind gerechter geworden und urtheilen menschlicher über ein Vergehen, welches unter normalen Umständen allerdings   zu den schwersten Verbrechen gezählt werden muß, unter Verhältnissen aber nur eine Folge der Sinnenverwirrung, der Unzurechnungsfähigkeit, der Verzweiflung sein kann.
     
    »Wehe, menschlich hat dies Herz empfunden,
    Und Empfindung soll mein Richtschwert sein«
     
    heißt es in Schillers »Kindesmörderin«, und es ist wohl zu bedenken, daß vor dem ewigen Richter die Schuld einer solchen Handlung nicht blos auf das Haupt der Mutter fällt, sondern ebenso sehr auf dem Verführer und noch Anderen ruht, welche sich vor den irdischen Gesetzen sicher wissen.
    Das Verbrechen des Kindesmordes ist ein viel weiter verbreitetes, als man gewöhnlich annehmen zu müssen meint, nur daß hier ein Unterschied ist zwischen den Paragraphen des Gesetzbuches und den Bestimmungen einer rein und streng sittlichen Anschauung. Es liegt in gewissen Theilen der Geschlechtsorgane (Sperma, Ei) eine Reihe menschlicher Daseinsformen verborgen und aufbewahrt, und strenggenommen ist jede Vernachlässigung, jede Verschwendung dieser Theile und Stoffe Zerstörung zukünftigen Lebens. Die Prostitution mit all’ ihren Sicherungsvorkehrungen, das schon oben erwähnte Zweikindersystem und überhaupt jeder geschlechtliche Act, bei welchem das Wort »Vorsicht« mit in Betracht gezogen wird, muß dem Gewissen und jedem sittlich ernsten Menschen als verwerflich, als verbrecherisch erscheinen, und könnte man das Schicksal derjenigen Kinder verfolgen, welche da das Licht der Welt erblicken, wo »Damen eine ruhige, ungestörte und zurückgezogene Niederkunft erwarten können«, so möchte sich dem Menschenfreunde vielleicht gar manche betrübende Beobachtung entgegenstellen. –
    Unter allen Lebensverhältnissen, in denen Menschen zu einander stehen, ist das zwischen Mutter und Kind von der Natur das am meisten geheiligte, am stärksten ausgeprägte und am liebevollsten in Schutz genommene. Nach den Gesetzen der meisten Staaten ist der Anspruch, welchen ein Vater auf das Kind zu erheben berechtigt ist, größer und kräftiger unterstützt als derjenige der Mutter; dafür aber tritt die Natur in den meisten Lebenslagen und wo die Ansprüche der Eltern gegenseitig sind, auf die Seite Derjenigen, welche das Kind unter ihrem Herzen getragen hat und in deren eigenes Dasein der Sprößling, so lange er im mütterlichen Körper seiner Selbstständigkeit entgegenreifte, auf das Innigste verschlungen war.
    Aus diesem Grunde ist schon unter den Instincten der Thiere, durch welche die Natur für Fortpflanzung und Erhaltung der Geschlechter gesorgt   hat, die Fürsorge der Thiermutter für ihre Jungen in der frühesten Zeit ihres Eigenlebens der mächtigste. Nur bei den Thieren der niedersten Stufen hat es die Natur selbst übernommen, für die nur in Keimen oder als Brut aus dem mütterlichen Körper getretenen neuen Wesen zu sorgen. Durch die Menge der als Brut von einem früheren schon daseienden individuellen Leben gelösten neuen organischen Wesen ersetzt sie dann den großen Abgang, welcher durch die Zerstörung der Keime noch vor ihrer Entwickelung im Reiche des Lebendigen entsteht. Wo es aber, wie besonders in höheren Thierklassen, darauf ankommt, daß die durch die Zeugung belebten Keime auch in der Mehrzahl ausgebildet und erhalten werden, da setzt sie dieselben nach Ablösung vom zeugenden Körper unter die Obhut mütterlichen Instinctes, der schon bei den Vögeln theilweise gegen die gelegten Eier, ganz entschieden dann aber gegen die durch das Ausbrüten aus ihren hervorgelockten Jungen sich äußert liebevoll bewährt. Dieser Instinct verleiht auch dem sonst schwachen und zaghaften Geschöpfen eine ihm früher fremde Kraft, erhöht seinen Muth und stählt seine Ausdauer ganz besonders in solchen Fällen, in denen es gilt, die zum Dasein gebrachten Wesen mit Gefahr des eigenen Lebens zu vertheidigen oder sonst vor einem Unfalle zu bewahren.
    Im Menschengeschlechte nun veredelt sich der Mutterinstinct zur Mutterliebe, und diese letztere steigt und wächst, je mehr das Kind unter der mütterlichen Pflege reift. Sie ist einer der stärksten Triebe, deren das Menschenherz fähig ist, und das ist wohlweislich vom Schöpfer so eingerichtet worden, denn kein Geschöpf kommt so hilflos und pflegebedürftig zur Welt und bedarf der Unterstützung auf so umfassende Weise

Weitere Kostenlose Bücher