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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und so lange hinaus, wie der menschliche Säugling. Das Arrangement der Natur weist deutlich darauf hin, daß jede Mutter auch zur Säugerin ihres Kindes bestimmt ist, und auch diese Fürsorge belohnt sich, wie jede Erfüllung einer Mutterpflicht, nicht nur durch erhöhtes Liebesgefühl, sondern auch durch innigeres Zusammenleben und diejenige herzliche Befriedigung, welche der Gehorsam gegen die Gesetze der Natur mit sich bringt. In Folge dessen strebt jede Mutter, deren Sein nicht in der Zerstreuung des Weltlebens oder unter der Last der Noth und Sorge von ihrer Mutterbestimmung abgelenkt wird, ihrem Kinde an jedem Augenblicke seines Lebens Freude zu machen und ihm angenehme Gefühle zu erregen und zu erhalten.
    Soll aber das Kind durch die Liebe der Mutter nicht verzärtelt und   von seinen Zielen abgelenkt werden, so müssen die von der Natur geknüpften Bande der Neigung, wenn auch nicht aufgelöst, so doch aufgelockert und einem höheren, geistigen Principe, der Vernunft untergeordnet werden, und das um so mehr, als, wie es vorwaltend bei Knaben der Fall ist, der Zögling so früh wie möglich seine eigentliche und beste Stütze in sich selbst suchen, finden und erfassen soll. Jede Mutter denkt, ihrem bloßen Gefühle folgend, auch bei dem erwachsenen Sohne mehr an die Erhaltung und Sicherung des Bestehenden im Leben, als an die Erlangung und Erreichung dessen, was sich für die Zukunft als ein unabweisbares Bedürfniß herausstellt, und daher erfüllt die Sorge der Mutter das Gemüth für das ganze Leben viel tiefer, als die Sorge des Vaters, welche überhaupt mehr aus der Reflexion als dem Gefühle hervorgeht, obgleich sie einen größeren Umfang hat, da sie sich mehr auf die Erweiterung der Lebenssphäre, als auf die Behauptung des schon Errungenen richtet. Die Erziehung des Vaters bereitet den Sohn vor, »hinaus zu gehen in’s feindliche Leben,« während die Mutter ihrem Lieblinge den Lebensweg gern so viel wie möglich erleichtern, ihm jede Sorge, jeden Kampf, jede Unannehmlichkeit ersparen und ihn womöglich nicht aus der schützenden Umschlingung ihrer liebevollen Arme lassen möchte, weshalb auch das Wort »Muttersöhnchen« als Bezeichnung eines durch die Mutterliebe verzogenen und verhätschelten Weichlings in Gebrauch gekommen ist.
    Auch hier sehen wir wieder einmal so recht deutlich, daß Mann und Weib sich gegenseitig ergänzen und in ihrer glücklichen Vereinigung eine Einwirkung auf die Entwickelung ihrer Kinder üben, welche durch kein Elternsurrogat ersetzt werden kann, mag es nun Amme, Bonne, Gouvernante, Erzieher oder sonst irgendwie mit Namen genannt werden. Und doch wird grad’ in dieser Beziehung so unendlich viel von den Eltern gesündigt; in gewissen Kreisen verbietet es die Sorge für die körperliche Schönheit und der Gehorsam gegen die gesellschaftlichen Regeln, die süßesten der Pflichten zu erfüllen, und es ist fast Mode geworden, dem Kinde nichts zu sein, als die Gebährerin, welche sich vielleicht in der Kinderstube Mutter nennen läßt, im Salon aber gern auf diesen Namen Verzicht leistet, da in ihren Augen Jugend und Schönheit höher stehen, als das Glück, einem Menschenkinde das Leben geschenkt zu haben.
    Desto reicher aber belohnt sich eine treue Erfüllung der Mutterpflichten, und tief gräbt sich das Gedächtniß jedes einzelnen Augenblickes des jugendlichen Lebens in Seele und Herz des Kindes ein. Der süße Klang der mütterlichen Stimme, der warme Blick des Mutterauges, der sanfte Druck der mütterlichen Hand, sie werden nie vergessen, und wenn das Auge längst gebrochen, die Stimme verstummt und die Hand erkaltet ist, die Dankbarkeit stirbt nicht; was die Mutter gethan, das lebt im Kinde fort, erbt sich fort auf späte Generationen, und der Ort, an dem man sie zur Ruhe bettete, bleibt ein Heiligthum für Alle, die von dem Strahle ihrer Liebe erwärmt und beleuchtet wurden.
     
    »Und hast du keine Mutter mehr
    Und kannst Du sie nicht mehr beglücken,
    So kannst du doch ihr frühes Grab
    Mit frischen Blumenkränzen schmücken.
    Ein Muttergrab, ein heil’ges Grab,
    Für dich der Sehnsucht theu’re Stätte.
    O, flüchte dich an diesen Ort,
    Wenn je dich beugt der Trübsal Kette!«
     
    »Ein Auge, das den Vater verspottet und verachtet der Mutter zu gehorchen, das werden die Raben am Bache aushacken und die jungen Adler fressen,« droht die Bibel allen den Kindern, welche es vergessen, daß in ihrem Herzen die Blumen der Liebe gegen ihre Eltern lebenskräftig

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