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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihrer menschlichen Gewandung als Humanität gegenwärtig von einem Siege zum andern schreitet.
    Wie ein leiser, heiliger und erquickender Odem Gottes geht dieselbe durch das menschliche Leben, sucht die Unebenheiten desselben möglichst zu beseitigen, die Härten zu lindern, die Schroffheiten zu mildern und nimmt ganz ohne daß er es weiß, sogar im Herzen des Einzelnen Platz, um auf sein Fühlen, Denken und Handeln bestimmend und Richtung gebend zu wirken. Nach Millionen und Abermillionen zählen die verborgenen Thaten, welche von der Humanität dictirt und geleitet werden, und wenn wir einen Blick auf das öffentliche Leben mit seinen zahlreichen Instituten werfen, so finden wir, daß die meisten derselben nur humanen Zwecken gewidmet sind und die Verwaltung der anderen von humanen Gesinnungen durchdrungen ist. Die Grausamkeiten vergangener Jahrhunderte, welche damals nicht auffallen konnten, weil sie allgemein waren und ihren Grund in dem Zustande, in dem damaligen Standpunkte der allgemeinen Gesittung hatten, sie sind jetzt fast zur Unmöglichkeit geworden, und wenn sie noch geschehen, so ist es sicherlich in einem sehr entfernten und abgelegenen Winkel unseres Erdbodens. Wir denken hier vorzugsweise an die Kriegsführung, auf derem Gebiete sich die augenfälligsten Neuerungen vollzogen haben (Genfer Convention etc.), die von allen Seiten mit Freuden begrüßt wurden, und erwähnen wir hier bei noch die Kranken- und Armenpflege, das Schul-und Unterrichtswesen etc., so will es scheinen, als wolle der Tag, von dem wir in unserem früheren Abschnitte sprachen, immer heller, lichter und wärmer werden und mit seinen blebenden Strahlen immer neue Blüthen und Früchte in das Dasein rufen.
    Dieser Hauch des Himmels geht als ein Bote der göttlichen Barmherzigkeit erhebend, veredelnd und verzeihend selbst über das Haupt des Sünders hin und lehrt, allzeit eingedenk zu sein des Wortes: »Wer von euch ohne Sünde ist, er werfe den ersten Stein auf sie!« Die verirrte Liebe mag für den streng sittlichdenkenden Character häßlich und abstoßend sein, aber es ist eben eine Liebe, und wer sollte ihr nicht verzeihen, die selbst unter egoistischen Zwecken sich hingiebt und süßen Genuß bereitet. »Zehn Männer hast du gehabt und den du jetzt hast, ist nicht dein Mann,« sagt Christus zur Samariterin, und doch hielt er sie für würdig, aus seinem Munde das Wort vom Himmelreiche zu vernehmen. Rahab, die Hure, wie die Bibel jenes Weib nennt, welche die Kundschafter vor Gefangenschaft und Tod errettete, wird von dem Apostel Paulus, dem strengen Sittenreicher, selig gepriesen, und die echte Humanität enthält ein Evangelium für jede durch die Liebe gefallene Sünderin. Wie herrlich weiß dies der Altmeister Göthe auszudrücken in seinem »Mahadöh, der Herr der Erde« welcher von Himmel steigt, um unseres Gleichen zu werden und der Menschen Freud und Qual zu fühlen. Es liegt eine übertreffliche Zartheit in der so einfach scheinenden und doch so schwierigen Schilderung:
     
    »Als er nun hinausgegangen,
    Wo die letzten Häuser sind,
    Sieht er mit gemalten Wangen
    Ein verlornes, schönes Kind.
    ›Grüß dich, Jungfrau‹ – ›Dank der Ehre;
    Wart’, ich komme gleich hinaus!‹
    ›Und wer bist du?‹ – ›Bajadere,
    Und dies ist der Liebe Haus.‹
    Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen;
    Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,
    Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß.
     
    Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,
    Lebhaft ihn in’s Haus hinein.
    ›Schöner Fremdling, lampenhelle
    Soll sogleich die Hütte sein.
    Bist du müd, will ich dich laben,
    Lindern deiner Füße Schmerz;
    Was du willst, das sollst zu haben
    Ruhe, Freuden oder Scherz!‹
    Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
    Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden
    Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.«
     
    Dieses Durchleuchten des rein Menschlichen selbst durch das Laster ist der sicherste Beweis, daß das Gute nie untergehen, nie verschwinden, nie getödtet werden könne, und so verzeiht die Gnade die irdische Schuld, durch welche das Himmlische doch nicht vernichtet wird:
     
    »So, das Chor, das ohn’ Erbarmen
    Mehret ihres Herzens Noth;
    Und mit ausgestreckten Armen
    Springt sie in den heißen Tod.
    Doch der Götterjüngling hebet
    Aus den Flammen sich empor,
    Und in seinen Armen schwebet
    Die Geliebte mit hervor.
    Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;
    Unsterbliche heben verlorene

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