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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht aufgedrungen, aufgezwungen werden. »Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Brausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt,« so ist es mit dem Geiste, mit der Liebe, mit dem Hasse. Geistige und gar geistliche Güter können nicht aufgezwungen werden, sie wachsen von selbst an dem Baume des Lebens, und von allen Richtungen dürfen sich die Bedürftigen nahen, um diejenigen Früchte zu brechen, welche für ihre Bedürfnisse erforderlich sind.
    Man schüttele ja nicht mit dem Kopfe oder breche in eine zornige Philippika aus, wenn wir der Heidenbekehrung, also unserer vielgerühmten Mission nicht die Theilnahme, nicht die Anerkennung zuwenden, welche sie sich gewöhnt hat zu beanspruchen. Wir sehen uns mit Sehnsucht nach dem Segen um, den sie mit sich gebracht hat.
    Die nach Außen gerichtete Mission ist, streng genommen, eine Beleidigung des Völkerrechtes, da sie den Andersgläubigen nicht nur fast für unzurechnungsfähig erklärt, sondern sich zu allen Zeiten und noch heute solcher Mittel bedient hat und auch noch bedient, welche der Zustimmung des unparteiisch Denkenden sich unmöglich erfreuen können. Und ebenso hat sie zu allen Zeiten der erobernden Politik als ein Mittel zum Zwecke gedient, und unter dem Vorgeben, das Reich Gottes auszubreiten und die sogenannten »armen« (?) Heiden für die ewige Seligkeit (?) zu gewinnen, hat das Schwert unter den Völkern gefressen, sodaß ganze Nationen von dem Schauplatze der Geschichte verschwunden sind. Das ist die Politik der Mission.
    Und betrachten wir sie von ihrer socialen, von ihrer culturgeschichtlichen Seite, so finden wir, daß ihre Wirkung vorzugsweise eine nivellirende ist: »Es soll en Hirt und eine Heerde werden!« Ob dieses Ziel ein für die Menschheit segensvolles ist, lassen wir dahingestellt sein, nur scheint   es uns, daß ein jedes Volk die Berechtigung zu einer eigenartigen, von seinen individuellen Gaben und seinen speciellen Verhältnissen bedingten Entwickelung beanspruchen dürfe, und die Berechtigung wirft die Mission dadurch über den Haufen, daß sie das Eigenartige zerstört, und Alle unter dem beglückenden Vereine der »himmlischen Gemeinde« versammelt. Es verschwindet eine Culturform nach der andern von der Erde, und der Menschenfreund steht vor Ruinen, deren Einsturz er beklagen muß.
    Die nach Innen gerichtete Mission scheint eine größere Berechtigung zu haben. Wir bekennen uns zum Christenthume und dürfen es also auch nur als folgerichtig ansehen, wenn die »Diener vom Worte«, die »Vertreter Gottes auf Erden« mit allem Eifer darnach trachten und mit aller Mühe, womöglich unter Hülfe einer kirchlichen Disciplin, darnach ringen, dem Christenthume immer festeren Halt zu geben. Nur handelt es sich hier um eine rechte Würdigung der Mittel, durch welche dieser Zweck verfolgt wird. Die Christenverfolgungen unter den römischen Kaisern haben uns an unserem eigenen Leibe gezeigt, welches aus den Maßregeln einer hochmüthigen Unfehlbarkeit entspringen kann; und denken wir an die Judenverfolgungen des Mittelalters, an die Inquisition, so wollen uns die Haar zu Berge stehen über die Art und Weise, wie das Christenthum gegen sich selbst, gegen seine eigenen, und selbst gegen seine besten Glieder, gewüthet hat. Ein trauriges Bild solcher Zustände entrollt sich vor unseren Augen, wenn wir einen Blick auf die sogenannten »Geißelungen« werfen:
    In Folge des Ausbruches der Syphilis entstanden auch die religiösen Sekten der Flagellanten (Geißler), in Deutschland Flegler genannt, welche zu Tausenden, sowohl Weiber als Männer, die Länder durchzogen, ihre nackten Schultern durch Geißelhiebe beständig zerfleischend und Gott um Rettung und Hilfe anflehend.
    Bei allen Völkern und zu allen Zeiten zeigte sich die seltsame Neigung, seinen Mitmenschen mittelst eigner Werkzeuge körperlichen Schmerz zuzufügen. Aberglaube und Betrug, Selbsttäuschung und Schwärmerei, Brutalität und Grausamkeit, Lüsternheit und Wollust trugen zugleich großen Theil hieran.
    Mit welchem Nachdrucke in den ersten Jahrhunderten unserer christlichen Zeitrechnung das Geißeln geübt wurde, geht daraus hervor, daß man durch Landesgesetze und Concilienbeschlüsse demselben Einhalt thun   mußte. Das Concillium zu Nicäa belegte alle Hausfrauen mit geistlichen Strafen, ja selbst mit siebenjährigem Ausschluß von der Kirchengemeinschaft, welche ihre Sclavinnen oder Mägde so stark geißeln würden, daß sie daran

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