Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
stärben. Bei den Franken und Burgundern war die Sache besonders mode; nicht nur gegen ihre Unterthanen verfuhren die regierenden Fürsten und Herren besonders hart, es wurden selbst edle Frauen von ihren Männern oder Vormündern gezüchtigt. Mehr als eine Dienerin, welche durch ihre größere Schönheit die Eifersucht ihrer Gebieterin gereizt, ward zu Tode gegeißelt.
Hinsichtlich des Körpertheiles, auf welchen man sie gab oder nahm, wurden zwischen der oberen und unteren Disciplin unterschieden; erstere geschah auf Schultern und Rücken, bisweilen auch auf Brust, Oberarm, Hals und Kopf, letztere wurde auf Lenden, Hüften und Schenkel gegeben.
Die untere Disciplin wurde vorzugsweise bei Frauen angewendet, da ihre schwächere Natur, wie man sagte, durch die obere Disciplin allzusehr angegriffen würde und die unteren Theile das ihnen zugedachte Loos besser auszuhalten geeignet wären.
Ob wirklich die Besorgniß um die Gesundheit ihrer Beichtkinder die Beichtiger veranlaßte, die weiblichen Mitglieder der ihnen anvertrauten Heerde auf die unteren Theile des Körpers zu züchtigen, oder ob die Sinnlichkeit und die Lüsternheit es ihnen dictirte, wollen wir hier ununter sucht lassen.
Ganze Kapitel könnte man mit Beispielen anfüllen, wie Männer und Frauen ein wahnsinniges Vergnügen daran fanden, ihre Körper mit Ruthenschlägen zu zerfleischen, und man mag wollen oder nicht, man ist zu der Annahme gezwungen, daß zu dem heiligen Wahnsinn sich wollüstige Begierden gesellten, welche theils durch das Geißeln selbst, theils durch den Anblick der entblößten Körperformen gestillt wurden.
In den Geißlervereinigungen der Provinzen befanden sich auch Frauen selbst von Stande und gutem Rufe. Um sich die Scham und die Verlegenheit bei der Entblößung ihrer Körper vor den Zuschauern zu ersparen, verhüllten sie sich, wie auch die großen Herren und die Geistlichen die Gesichter, wenn sie in Verrichtung ihrer Andacht die Straßen durchzogen.
Weiber und Mädchen liefern, mit Geißeln in der Hand, im bloßen Hemde herum, und selbst die schönen Herzoginnen von Guise, Merceur, Aumale, Elboeuf u. A. zeigten sich der Bevölkerung halb nackt und gaben sich die Disciplin, um durch ihr Beispiel zur Nacheiferung aufzumuntern.
Die alten Chroniken haben uns Beispiele hinterlassen, welche an Raserei grenzten und alle Zuschauer mit Entsetzen erfüllten. Viele geißelten sich selbst in der Nacht, Andere täglich zwei Mal, während der Fastenzeit sogar drei und vier Mal.
Wenn die Tage kamen, wo nach bestehenden Statut der Superior allen seinen Untergebenen die Disciplin zu geben hatte, so waren dieselben für die Betreffenden wahre Freudenfeste. Mönche und Nonnen fielen auf die Kniee, entblößten ihre Körper in der schamlosesten Weise und boten dieselben der Geißel dar.
Aus Italien, Spanien und Frankreich liefert die geheime Sittengeschichte mehr als ein Beispiel, wie sich Clubs gebildet, worin Geschwister und Verwandte sich gegenseitig und wechselseitig geißelten. Es wurden Pfandspiele damit in Verbindung gebracht; wer verlor, gab ein Kleidungsstück ab und so ging es bei allen Einzelnen fort, bis zur letzten Hülle. So viele Stücke sich nun vorfanden, so viele Hiebe wurden ausgetheilt, dem Herrn stets durch eine Dame, der Dame durch seinen Herrn. Daß es nicht immer bei diesen, wenn auch unanständigen, doch im Ganzen schuldlosen Scenen blieb, kann man sich denken.
Den ersten Rang in der Geißlergeschichte nahmen, wie schon früher bemerkt, die Jesuiten ein. Keine geistliche Verbindung hat durch das Flaggellationssystem sowohl bei der männlichen als bei der weiblichen Jugend und bei erwachsenen Frauenzimmern der Sittlichkeit mehr geschadet, als sie, indem sie es als Verführungsmittel und zur Befriedigung brutaler Sinnlichkeit gebrauchten.
Schon in den ersten Perioden ihrer Wirksamkeit erfuhr man allerhand ärgerliche Anekdoten über die von ihnen errichteten Bußanstalten, und gewöhnlich war es mystische Lüsternheit und sinnliche Begehrlichkeit, welche sie zu den entehrendsten Acten des Vertrauensmißbrauches hinrissen.
Trotzdem später die Geißelung des weiblichen Geschlechtes nach der Beichte verboten wurde, so gebrauchte man dieselbe doch in den Gefängnissen der heiligen Inquisition als Mittel, das Schweigen zu brechen, und ohne Rücksicht auf Geschlecht und Stand wurden die Armen auf das Schamloseste entblößt; auch bei der Folterung und bei dem Auto-da-Fé war dies der Fall.
Jesuiten und
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