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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber, die ihr Golgatha überdauern, indem sie von dem Tode wieder auferstehen, werden über diese Art der Tragik anders denken, denn vor ihnen liegt nur noch der letzte, höchste Schritt, der übrig bleibt: Die Himmelfahrt.
    Nur der, dem auch dieses Allerletzte und Allerschwerste gelingt, ist in die Tiefe des »Weihnachtsgedankens« völlig eingedrungen. Er kann, wie einst die Engelscharen, aus seinem Himmel getrost zur Krippe niedersteigen, denn ihm und seiner Kunst ist es nun möglich, auf die Frage »Was will aus dem Kindlein werden?« die einzig richtige Antwort zu geben, welche den Himmel mit der Erde und den Glauben mit der Wissenschaft versöhnt.
    Jede wahre Kunst ist Weihnachtskunst, denn sie bringt Erlösung des Stoffes und Erlösung vom Stoffe; beides ist richtig. Sie feiert allezeit Weihnacht, nicht jährlich, nur einmal. Sie feiert es im Verein mit dem wahren christlichen Glauben, der seine Glocken auch nicht jährlich nur einmal, sondern ohne Unterlaß läutet, damit der Lobgesang der Heerscharen
    Briefe über Kunst
     
    III.
     
    Sehr geehrter Herr Redakteur!
     
    Dieser Brief soll ein Neujahrsbrief sein, denn sobald Weihnacht vorüber ist, gehen wir dem neuen Jahre entgegen, und zwar dem bürgerlichen Neujahr – – – auch in der Kunst!
    Ich sagte in meiner vorigen Zuschrift, daß nur derjenige Künstler in die Tiefe des Weihnachtsgedankens eingedrungen sei, der in sich seiner Seele Himmelfahrt erlebte. Er kann aus diesem Himmel sodann getrost, ohne befürchten zu müssen, ihn zu verlieren, von Zeit zu Zeit zur Erde niedersteigen, um sich an dem großen Werke zu beteiligen, welches durch die Engelsbotschaft »Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden!« sowohl verkündet, als auch begonnen worden ist. Das herrliche Werk des neuen, großen, bürgerlichen Jahres! Des ewig beginnenden und niemals endenden Jahres, dessen praktische Aufgabe es ist, die innere Erlösung nach außen wirken zu lassen.
    So tritt die Kunst, nämlich die wahre, die hohe, die »himmlische« Kunst, aus dem Heiligtume des inneren Menschen in die alltägliche, äußere Welt hinaus, um Beide als fest zusammengehörig, als harmonische Einheit darzustellen, Gott, dem Herrn, zur Ehre und den Menschen zum wachsenden Frieden. Denn es muß festgehalten werden, daß die Kunst, gleich der wahren Religion und der wahren Wissenschaft, keine andere Aufgabe hat, als diese eine, doppelte: Gott zu dienen und die Dissonanzen des Erdenlebens in Wohlklang aufzulösen. Einen Gott hat die Religion; einen Gott hat die Wissenschaft; einen Gott hat jeder Mensch, mag er ihn nennen, wie er will, und alle diese Namen bedeuten im Grunde genommen nur den Einen, den Einzigen, den Ewigen. Diesen Haupt- und Grundgedanken aller menschlichen Entwicklung hat die Kunst, was sie auch schaffe, nach außen darzustellen, und indem sie das tut, führt sie durch die Erkenntnis des göttlich Einen zum Frieden zwischen uns Allen. Als gläubiger Christ drücke ich das durch die Worte aus: Für die Kunst geht das bürgerliche Jahr mit dem kirchlichen Hand in Hand. Andersdenkende mögen das anders bezeichnen, aber bei aller Verschiedenheit der Ausdrucksweise wird der Sinn immer derselbe sein, daß die Befreiung des innern Menschen nach der sozialen Erlösung des ganzen Geschlechtes strebt.
    Kein Neujahr ohne ein Sylvester, kein klares Vorwärtsschauen ohne die vorangegangene Abrechnung mit dem Rückwärtsliegenden. Wir haben, indem wir Weihnacht feierten, diesen Abschluß hinter uns gelegt und treten durch das weit geöffnete Tor des ersten Mondes, um ihn und die Kunst zu fragen, was er von ihr verlangt und was sie ihm zu geben vermag. Die Antwort lautet, offen gestanden, nicht sehr befriedigend, aber, Gott sei Dank, dafür doch hoffnungsreich. »Zu Gottes Ehre« wird wenig genug gefordert und auch nicht übermäßig viel geleistet, nämlich für den Gott, den ich als Christ mir denke. Und »um den Frieden« steht es ebenso. Man ist Künstler weniger zu Gottes als vielmehr zur eigenen Ehre. Es gibt heutigen Tages auch in der Kunst so viele »andere Götter«, daß jener Einzige und Wahre, Wirkliche hinter der Menge der vorgeschobenen Namen fast ganz verschwindet. Und man hat mit dem Kampf, mit dem Streit so viel zu tun, daß man gar nicht dazu kommt, an den Frieden zu denken. Die gegenwärtige Kunst verwendet den besten Teil ihrer Kraft auf die Darstellung »interessanter« Konflikte; das ist aufregend, das ist aktuell, das ist lohnend, und vor allen

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