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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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allerhöchsten Können, die Erlösung, die selbst den Teufel vom Teufel befreit, die Erlösung, welche das Hohngelächter der Hölle in ein errettendes Lächeln verwandelt, um es zum Jubelchor der Seligen hinüber zu leiten.
    »Ein Maskenscherz auf Erden.« Wohl dem Künstler, der dieses Wort begreift! Von dem Augenblicke an, wo ihm diese Erkenntnis kommt, wird er aufhören, zu trivialisieren; er wird nur noch wahrhaft Edles, Reines, Hohes liefern können! Zwar nicht die wichtigste Aufgabe, aber doch die wirkungsvollste Taktik und die feinste Technik der Kunst ist es für die, die Anderes schwer begreifen, den Ernst des Lebens lächeln und die menschlichen Allotria heimlich schluchzen zu lassen. Maskenscherz! Die Erde als einen belebten Tränentropfen zeichnen, der um den Mittelpunkt des Glückes kreist. Das Leid als aufgezwungene Larve betrachten, aus welcher herzig-liebe Augen leuchten. Das Erdenglück nicht etwa als etwas höchst Begehrenswertes, sondern als eine Prüfung, als ein Rigorosum darstellen, welches schwer zu bestehen ist und aber doch auf jeden Fall bestanden werden muß. Man sieht, überall nur Maskenscherz. Doch gilt es, diesen Scherz wenigstens ebenso ernst zu nehmen, wie der zur Schau getragene Ernst dieser Maskerade im Grunde genommen lächerlich ist. Das zerrissene Gewand des Bettlers und der schimmernde Mantel des Herrschers, beide sind Maskenstücke. Stelle mir den Bettler so dar, daß ich mich trotz seiner Fetzen vor ihm verbeuge, so bist du ein Künstler, sonst aber nicht! Und bringe mir einen König, mit dem ich trotz seiner Krönungsdiamanten weine, so stehst du hoch über Jedem, der das nicht schaffen kann.
    Es gibt ein wohlbekanntes Wort, welches Aehnliches oder gar Gleiches zu sagen scheint: »Die Kunst erzielt ihre größten Wirkungen durch Darstellung von Kontrasten.« Das kann unmöglich richtig sein. Ein zerlumpter Vagabund neben einem goldgeschmückten Fürsten ist zwar Kontrast, aber lächerlich. Ein Elefant neben einer Maus ist ein noch größerer Kontrast, aber ebenso auch noch mehr als lächerlich. Ein Schneesturm in der Wüste Gobi und mitten drin eine blühende La France oder Maréchal Niel ist der allergrößte Kontrast, den man sich denken kann, aber einfach unmöglich. Nur der Kontrast, der sich bei einer Demaskierung zeigt, wirkt künstlerisch, wirkt sogar künstlerisch groß. Anders ausgedrückt: Für die wahre Kunst ist der Kontrast nur dann brauchbar, wenn er nicht der Unähnlichkeit zweier verschiedener Gegenstände, sondern dem Gegensatze zwischen dem Aeußern und dem Innern einer und   derselben Erscheinung entspringt. Das Aeußere darf dem Innern, die Form dem Inhalte nicht entsprechen, muß also Maske sein. Darum ist jedem strebsamen Künstler anzuraten, auf den oben erwähnten »Maskenscherz auf Erden« fleißig einzugehen. Tut er das, so wird ihn beim Suchen nach dem eigentlichen Wesen eines Gegenstandes, welches er doch darzustellen hat, die Fülle desselben niemals täuschen können. Wer nur Hüllen malt, malt Larven. Indem er sie als Wesen nimmt, betrügt er erst sich selbst und dann auch Andere; er mag sich wohl Künstler nennen, kann es aber unmöglich sein.
    Ich habe schon in meinem ersten Briefe gesagt, daß die Kunst in das Wesen der Dinge einzudringen hat, um die Wahrheit zu offenbaren. Sie darf keine Larve dulden. Sie ist immerwährend am Demaskieren. Sie läutet unausgesetzt an der Stunde, wo der Tag beginnt und der Trug ein Ende hat. Wenigstens in diesem Sinne möchte auch ich gern Künstler sein, möchte mitläuten, mitentdecken, mitentlarven. Wir stehen vor einer neuen und wahrscheinlich großen Zeit. Neue Zeiten erbauen sich aus neuen Gedanken. Neue Gedanken aber entstehen nicht etwa nur in den Köpfen genialer Menschen. Wem ein Gedanke kommt, den er für neu hält, der soll ihn getrost sagen, ohne gleich befürchten zu müssen, daß man ihn der Eitelkeit beschuldigt. Darum schreibe ich Ihnen diese Briefe, mein sehr geehrter Herr Redakteur. Ich weiß, Sie stre ben nach vorwärts und nach aufwärts, grad so wie ich. Doch keinem von uns beiden fällt es ein, daß er alles niederzureißen und sich als Bahnbrecher aufzuspielen habe. Ich fordere Niemand auf, das, was ich denke und sage, als maßgebend zu betrachten. Ich bin kein Lehrer und Prediger der Kunst und weiß sehr wohl, daß ich ihr keine Gesetze vorzuschreiben habe. Aber das Recht, Anregung zu geben, hat Jedermann, sogar der Laie, und das ist es, was ich mir erbitte, weiter nichts. Es gibt

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