Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Allebonnöhr! Es is mer ganz angst und bange geworden, als mich der wilde Büffel so anguckte, und der Cojote und der Leopard! Und der Löwe erscht! Und sogar Wein ham mer gekriegt! Na, kommt, mer wolln machen, daß mer heeme kommen und erzählen können, sonst vergess’n mer alles wieder! Die andern wär’n sich aber ärgern, daß se nich ooch mitgewesen sin. So is es aber, wenn mer keenen Mut besitzt; nu ham se nischt gesehen!«
Inzwischen ist es neun Uhr geworden, und ich vertiefe mich so in die Arbeit, daß mir ein abermaliges Glockenzeichen entgeht. Meine Frau, welche weiß, wie notwendig ich zu arbeiten habe, kommt, um mich besorgt zu fragen, ob man mich stören dürfe. Ich verneine, sehr energisch, erfahre aber, daß eine Dame mit zwei jungen Herren in einer Equipage angekommen sei, welche mir ihren Namen zwar erst beim Gehen sagen wolle, aber dennoch nicht gut abgewiesen werden könne, weil sie jedenfalls von hoher Distinktion sei. Ich lasse also die Herrschaften kommen; sie bleiben weit über eine Stunde bei mir, während welcher Zeit ich wieder hundert Fragen zu beantworten habe, und beim Abschiede erfahre ich, daß mir die Ehre geworden ist, Ihre Durchlaucht, die Fürstin J. aus Wien mit ihren Prinzen bei mir zu sehen. Sie hat sich erst jetzt genannt, um zu verhüten, daß ich besondere Rücksichten auf ihren Stand nähme. Ich geleite sie zum Wagen und sehe einen Herrn kommen, den ich sofort als geistlichen Herrn taxiere. Er bleibt stehen, bis die Pferde anziehen, und begrüßt mich dann mit meinem Namen. Er hat mich nach den von mir existierenden Bildern erkannt und stellt sich mir als den Regens eines Priesterseminars vor, dessen Lehrer und Schüler alle Leser von mir sind. Ich habe mit diesem hochwürdigen Herrn oft und gern Briefe gewechselt, freue mich außerordentlich über diesen Besuch, fordere ihn auf, mein Gast zu sein, und bitte nur um die Erlaubnis, für zwei Stunden nach Dresden zu dürfen, um mit meinem Leipziger Commissioner, der mir telegraphiert habe, sprechen zu können. Er ladet sich für von übermorgen an zu Gaste, da er heute und morgen in Dresden sein müsse, und wir gehen nach einer halben Stunde zur Bahn, um in den Zug nach der Residenz zu steigen.
Unterwegs begegnet uns eine Dame in Trauer, welche uns nach der Wohnung von Dr. May fragt. Ich beschreibe ihr den Weg, ohne zu sagen, daß ich der leider allzusehr heimgesuchte Besitzer derselben bin, denn ich bin überzeugt, daß wir, wenn ich dies thäte, den Zug versäumen würden. Am Bahnhof faßt mich ein hiesiger Herr ab, um mich zu fragen, wann ich heute zu sprechen sei; er habe Besuch aus Breslau, einen Herrn und eine Dame, welche nicht hier gewesen sein wollen, ohne daheim erzählen zu können, daß sie mich gesehen haben; morgen seien sie nicht mehr da. Ich gebe eine Zeit an, denn ich weiß jetzt, daß ich das Manuskript nun einmal nicht bis abends acht Uhr fertig bringe, sondern auch die nächste Nacht daran zu schreiben habe. In Dresden angekommen, trenne ich mich auf Wiedersehen übermorgen von meinem Begleiter und fahre, um ja nicht verspätet zu kommen, per Taxometer nach dem »Europäischen Hofe«.
Da mein Commissioner dort nicht zu sehen ist, muß ich warten und bestelle, weil es kein Bier gibt, eine Flasche Wein. An einem Tische frühstücken drei Herren. Nach einiger Zeit gesellt sich ein vierter hinzu, welcher Herbig genannt wird. Ich gehe hin, nenne meinen Namen und frage ihn, ob er vielleicht heute früh von Leipzig aus an mich telegraphiert habe. Er springt erfreut auf, streckt mir die Hand entgegen und ruft:
»Ja, das habe ich, das habe ich! Ich bin aus Nürnberg, Reisender in Spielwaren. Sie besitzen dort viele Freunde und Leser, und ich bin beauftragt, Sie aufzusuchen, um genau beschreiben zu können, wie Sie eigentlich aussehen.«
»Sie haben mich aber nicht aufgesucht, sondern mich nach Dresden und hierher befohlen!«
»Weil ich keine Zeit hatte, nach Radebeul zu fahren; ich muß bald wieder fort. Geben Sie mir also die Hand! Wir möchten nämlich gern wissen, ob Sie wirklich so kräftig sind, wie in Ihren Werken steht.«
»Also, weil Sie keine Zeit haben, glauben Sie, muß ich welche haben? Wenn jeder meiner Leser sich erlauben wollte, in so unverfrorener Weise über mich zu verfügen, würfe ich aus Rücksicht auf diese Rücksichtslosigkeiten noch heute die Feder weg! Fühlen Sie denn nicht, daß Sie mich wie einen Domestiken behandelt haben, den man nach Belieben citieren kann? Und meine Hand
Weitere Kostenlose Bücher