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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vollständig überzeugt, daß beide morgen wieder zu mir kommen werden, um mir mitzuteilen, daß der Gambrinus noch nicht abgereist sei, weil ihm der Bacchus so außerordentlich gut gefallen habe. Ich aber habe meinen heimtückischen Zweck erreicht und kann nun wieder nach dem Speisezimmer gehen.
    Während des Essens fällt mir ein, daß ich die zweite Post noch nicht aus dem Briefkasten genommen habe; die dritte muß auch schon angekommen sein. Nach zehn Minuten bin ich fertig und hole sie. Der Kasten ist innen am Thore befestigt. Während ich den Inhalt herausnehme, kommt ein Herr, der klingeln will, dies aber unterläßt, als er mich stehen sieht. Er stellt sich als Verlagsbuchhändler N. aus Wien vor, hat mein Ave Maria in »Winnetou«, Band III, gelesen und möchte einen Band Gedichte   von mir veröffentlichen. Ich sage ihm, daß es mir unmöglich sei, mit neuen Verlegern zu kontrahieren, und daß meine Gedichte erst nach meinem Tode gedruckt werden sollen. Ich weiß, es ist eine Unhöflichkeit, ihn so vor dem Thore abzufertigen, und er läßt auch eine darauf bezügliche Bemerkung hören, aber ich bin nun zum Wurme geworden, der sich endlich einmal krümmen will. Nach soviel Störungen will ich für den Rest des Tages mein Studierzimmer für mich allein haben!
    Nun sitze ich wieder oben und gehe die Kouverts der eingegangenen Sachen durch. Zum Öffnen und Lesen habe ich heute keine Zeit. Ein Brief ist kurz adressiert: »Mr. Shatterhand, Dresden«; er ist selbstverständlich nach Radebeul zu mir expediert worden. Ein Brief aus Köln am Rhein ist mit der Aufschrift versehen: »Herrn Schriftsteller Karl May«. Der Schreiber desselben hat vergessen, den Bestimmungsort hinzuzufügen; die postamtliche Ergänzung lautet: »wahrscheinlich Oberlößnitz-Radebeul bei Dresden, Villa Shatterhand«. Der betreffende Postbeamte ist jedenfalls ein Hausschatzleser. Ein anderer Brief kommt aus dem Kaukasus, wohl wieder eine Einladung zur Auerochsenjagd. Ich lege das alles weg und beginne, wieder zu schreiben. Trotz der gehabten Zerstreuungen komme ich in sehr guten Fluß und freue mich schon, daß ich wohl nicht die ganze Nacht zu arbeiten haben werde, wenn das so fort aus der Feder läuft, da klingelt es schon wieder. Das braucht nicht mir zu gelten, und doch lege ich die Feder weg, um zu horchen. Ein lebhafter Wortwechsel klingt vom Thore zu mir herauf. Ich höre jemand, der nicht hereingelassen werden soll, von »Wichtigkeit« und »Unaufschiebbarkeit« sprechen, und dann bringt mir das Mädchen eine Karte. Der Herr sei nicht abzuweisen; er müsse mich unbedingt sprechen, da die Sache heute erledigt werden müsse. Der Einlaßbegehrende ist auf seiner Karte als Gerichtssekretär bezeichnet, und für die Behörde muß man jederzeit zu sprechen sein; ich lasse ihn also zu mir weisen.
     
    Er tritt in sehr höflicher, ja devoter Weise ein; ich biete ihm einen Stuhl und bemerke bei dieser Gelegenheit, daß seine Stiefel etwas offenherzig sind und seine übrige Körperbedeckung sich in einem außergerichtlich-fadenscheinigen Zustande befindet. Er kommt der Aufforderung, welche in meinem Blicke liegen mag, mit außerordentlicher Zungenfertigkeit nach, indem er mir erzählt, die »Liebe zur Feder« habe ihn veranlaßt, auf seine vielverheißende gerichtliche Carriere zu verzichten und Journalist zu werden. Sein innerer, unwiderstehlicher Beruf prädestiniere ihn zur Kritik, und so sei er für dieses Fach Mitarbeiter der bedeutendsten deutschen Zeitungen geworden. Leider aber werde gerade die Kritik unter aller Kritik bezahlt, auch sei es ganz unvermeidlich dabei, sich einflußreiche Feinde zu erwerben; diese beiden Umstände, vereint mit dem dritten, daß gerade das Genie am leichtesten verkannt und am meisten verfolgt werde, habe ihn nach und nach um alle Stellungen gebracht und, mit Respekt zu vermelden, ein so großes Loch in den Beutel gemacht, daß vor einigen Tagen der letzte seiner Pfennige hindurchgeschlüpft sei. Er befinde sich auf der Reise von Berlin nach Wien, und seine Frau sitze mit zwei Kindern im Gasthofe in Dresden, von den Kellnern bewacht, weil eine dreitägige Rechnung zu bezahlen sei. Ein Rundgang bei den Journalisten Dresdens habe nichts gefruchtet, und nun sei Karl May der einzige Rettungsanker, den es für ihn gebe.
    »Wieviel brauchen Sie?« frage ich in der Absicht, die Sache kurz zu machen.
    »Rund hundertfünfzig Mark.«
    »Das muß allerdings auch ich rund nennen! Sie hatten freilich recht, als Sie

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