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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Tische sitze und auf mich warte. Da erklärt er mir, gemütlich lachend:
    »Herr Doktor, der Mensch soll sich mehr auf das Trinken als auf das Essen legen; ich verstehe das gründlich, denn ich bin Bierbrauer! Jetzt seh’n wir uns bei Ihnen um, und dann gehen Sie mit uns, ein Glas Pilsener trinken. Wer soviel   gedürstet hat wie Sie in der Sahara und auch anderwärts, der muß trinken, trinken, trinken!«
    »Vorausgesetzt, daß er Zeit und Appetit dazu hat; ich aber habe weder das eine noch das andere. Besonders heute ist mir meine Zeit so karg zugemessen, daß – –«
    Er läßt mich nicht aussprechen, sondern fällt mir schnell in die Rede. Er erklärt mir mit bewundernswerter Unbefangenheit, daß ein Verfasser, dem soviel Liebe und Anerkennung entgegengebracht werde, stets Zeit für seine ihn aufsuchenden Leser haben müsse. Er verbreitet sich heiteren Mutes über die unschätzbaren Freuden, die mir die schriftliche und persönliche Anhänglichkeit so vieler Menschen bereiten müsse, und beweist mir bis zur Unwiderlegbarkeit, daß ich dafür verpflichtet sei, die dabei unvermeidlichen kleinen Leiden dankbar in den Kauf zu nehmen. Vor Hunger und um die lange Filaria seiner Rede abzukürzen, rufe ich, in Ergebenheit die Hände faltend und das eingangsstehende Sprichwort recitierend:
    »Sie haben recht, nur zu recht! Ei ku guli dichaze, isiriyahn ssi lahzime bechaze! «
    »Wie heißt das, und aus welcher Sprache ist es?«
    »Es ist Kurmangdschikurdisch und heißt: Wer sich die Rose wünscht, muß auch die Dornen wünschen!«
    »Das ist richtig, sehr richtig! Nehmen Sie meine Frau hier als die Rose und mich als Dorn, so haben Sie beides, und alle Ihre Wünsche sind erfüllt! Und wenn Sie wieder einmal in einem Ihrer Bände über die vielen Briefe und Besuche klagen, so geben Sie Ihren Stoßseufzern dieses Sprichwort als Überschrift, damit ich nicht der einzige Mensch bleibe, der sich als einen Ihrer Dornen betrachten muß! Wir Leser können gar nicht anders, wir müssen uns als Ihre Freunde betrachten und – – horch! Hat das nicht unten geklingelt?«
    »Ja,« antworte ich, sogleich von einer schlimmen Ahnung wie von einem feindlichen Indianer beschlichen.
    »Hoffentlich wieder ein Besuch! Sollte mich sehr freuen!«
    Wie gern würde ich dem holdselig lächelnden Bierbrauer meinen bekannten Jagdhieb zu fühlen geben; aber wir befinden uns nicht im wilden Westen, sondern in meinem Studierzimmer, und er reibt sich mit so aufrichtigem Vergnügen, bei mir einen meiner Leser kennen lernen zu dürfen, die Hände, daß mein Zorn gar nicht aufkommen kann. Meine Ahnung hat mich nicht betrogen, denn das Zimmermädchen kommt, zu fragen, ob mein Weinhändler eintreten dürfe. Er ist ein eifriger Leser des »Deutschen Hausschatzes« und fühlt als solcher die mir sehr angenehme Verpflichtung, in meinem Keller nur unverfälschte Tropfen zu dulden. Ein heiterer Lebemann, macht er, wie jeder seiner Kollegen, sehr gern Geschäfte, und es ist wohl selten einem Sterblichen gelungen, mit ihm eine halbe Stunde beisammenzusitzen, ohne eine Bestellung aufzugeben. Er hat, wie schon öfters, auch heute seine Frau mitgebracht. Ich begrüße beide in zuvorkommendster Weise, denn es ist in mir ein teuflischer Gedanke aufgetaucht: dieser Jünger des Bacchus aus Frankfurt am Main soll mich, ohne daß beide es ahnen, von dem klebrigen Jünger des Gambrinus aus Breslau befreien! Ich stelle die Damen und Herren einander vor und werfe ihnen einige Millionen Gärungspilze in das beginnende Gespräch. Dieses für sie hochinteressante Thema ist die Brücke, auf welcher sie sich schnell nähern und Wohlgefallen aneinander finden. Dann führe ich den Weinhändler in die nebenanliegende Bibliothek, um ihm seine Rechnung zu bezahlen, und werfe da die hinterlistige Bemerkung hin:
    »Dieser Herr würde wahrscheinlich ein Faß Niersteiner oder Josephshöfer bestellen.«
    »Wirklich?« erklingt die schnelle, eifrige Frage. »Da will ich Sie nicht lange belästigen, Herr Doktor. Was hat der Mann für jetzt vor?«
    »Er wollte gehen, ein Glas Pilsener zu trinken.«
    »Bier? Fällt mir nicht ein! Ich bugsiere ihn nach Lechlas Weinstube, und zwar unverweilt. Bitte, gehen Sie nicht mit! Ich möchte nicht, daß er durch Ihre Gegenwart abgelenkt wird. Nehmen Sie mir das nicht übel, und leben Sie für heute adjeh!«
    Zwei Minuten später sehe ich sie mit ihren Frauen unten aus meinem Thore treten und Arm in Arm den Weg nach Lechla einschlagen. Ich bin

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